Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
Vom Netzwerk:
Aber selten schnitt sich ein Rechtshänder die rechte Hand auf.
    gandhi wars nicht , tippte sie dazu.
    »Gandhi. Heißt Ihr Hund so?«
    ja. Eva machte eine schnelle Bewegung mit der Hand, als würde ihr jemand die Kehle durchschneiden. Meinte sie den Hund, der eingeschläfert werden sollte, oder sich selbst, die fast gestorben wäre?
    kümmern bitte. Sie legte das Handy ab und streckte Carina die Linke hin. Sie nahm sie. Eva drückte und schüttelte ihre Hand, und endlich verstand sie.
    »Ich soll beweisen, dass es nicht Gandhi war?«, fragte sie. Ihr fiel der altmodisch wirkende Ring mit dem runden, grün schimmernden Stein auf, den Eva am linken Ringfinger trug. Sie hatte Carinas Blick bemerkt, ließ ihre Hand los und tippte wieder: hat mein verlobter mir geschenkt, wieder alles gut.
    Carina deutete das als ein Versöhnungszeichen ihres Verlobten. Ein Selbstmordversuch aus Liebeskummer? Doch sie wollte die Schwerverletzte nicht weiter ausquetschen. Sie wünschte Gute Besserung und versprach, sich um Gandhi zu kümmern.
    Als ihre Mutter aus der Ambulanz trat, war ihrer Miene nicht anzumerken, welche Diagnose sie erhalten hatte.
    »Ich muss erst mal an die frische Luft.« Sie schwieg, bis sie auf der Straße waren. Ein kühler Wind kam auf, und Silvia wickelte sich in ihr breites Schultertuch. Nach ein paar Schritten schwankte sie auf dem Gehsteig und lehnte sich an ein Auto. »Bitte sag es Matte nicht«, flüsterte sie. Auf einmal zitterte sie. Carina umfasste sie, strich ihr über den Rücken und versprach es.
    »Es ist ein Tumor, ob gutartig oder nicht, muss sich erst noch rausstellen.«
    Erst Frau Salbeck, dann Eva Bretschneider und jetzt ihre Mutter. Aller Versprechen sind drei, dachte Carina.

15.
    Ausgerechnet hier war Romeo für einen Job eingeteilt worden. Er wusste nicht, wie er das aushalten sollte. Also fuchtelte er herum, wollte der Stadtverwaltungsangestellten erklären, dass er lieber im Tierheim ausmistete wie schon so oft, oder dass er gern im Bauhof oder an der U-Bahn arbeiten würde, sogar nachts.
    Die gummigelockte Blondine zog ihren V-Ausschnitt nach oben, als hätte er zu lange hineingestarrt, und missverstand ihn offenbar. »Keine Angst, Sie machen das nicht allein.« Einen großen Kübel grau-grüner Farbe teilte sie ihm und Sigi zu, einem Schiefgesichtigen, der ständig sabberte und mehr redete als tat.
    Hinter dem Kunstpavillon fingen sie an, arbeiteten sich von Laterne zu Laterne bis zum Spielplatz vor. Die Herbstsonne vertrieb einzelne graue Wolken und drängte sich zwischen den noch laubschweren, bunten Bäumen durch. Romeo begann zu schwitzen und zog die Jacke aus.
    Sigi klappte seine Sonnengläser herunter, steckte sich eine Selbstgedrehte an, streifte oberflächlich mit dem Schleifpapier über die Masten und plapperte in einer Tour. »Super LCD -Fernseher oder brauchste Plasma, gibt’s auch mit Untertitel für Gehörlose. Hören kannst du doch, oder?« Die Zigarette war durch seinen Sabber wieder ausgegangen. Er warf sie fort, klappte kleine, zusammenhängende Karten wie eine Ziehharmonika auf. Lauter Gegenstände auf ausgedruckten Fotos. Ein MP3 -Player mit Ohrstöpseln war nicht dabei, so einen hätte Romeo jetzt gerne gehabt. Mit elektronischer Musik konnte er zwar nicht viel anfangen, er lauschte lieber den Stimmen; aber Sigi nervte. Wer konnte wissen, woher er diese Fernseher hatte? Letztes Mal war es ein Cityroller mit »endgeilem Klingelton« gewesen und ein Außenbordmotor, angeblich alles aus der Garage seines Onkels.
    Vielleicht tat Romeo ihm auch unrecht, und es war ein anderer Arbeiter gewesen. Gesichter konnte er sich nicht merken. Eine Windböe erfasste Sigis Leporello und entglitt ihm. Fluchend rannte er dem Papierstreifen hinterher, der wie eine weiße Schlange über die Wiese tanzte. In Zweierreihen durchquerten Kinder den Park. Ein paar lösten sich aus der Gruppe, wollten der Papierschlange nachlaufen. Mit einem Hechtsprung warf sich Sigi auf seine Karten, faltete sie samt Grashalmen schlampig aneinander und stopfte sie in die Brusttasche. Der Wind schob die Wolken zusammen, Aststückchen, Staub und Fichtennadeln flogen in den Farbtopf und gegen die frisch gestrichenen Laternenmasten. Die Sonne verschwand, der Garten tauschte seine Leuchtfarben gegen Grautöne. Aus den Augenwinkeln sah Romeo zwei Frauen, die die Kinder zusammentrieben und zum eingezäunten Spielplatz geleiteten wie zwei Hütehunde die Lämmer. Er klopfte sich mit dem Pinselstiel an die Schläfen, um

Weitere Kostenlose Bücher