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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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ihr nur Platz gemacht, damit sie die Spanne der Arme und die Länge der Beine ausrechnen konnte. Doch dann hörte sie sie keuchen. »Was ist mit Ihnen?« Carina wandte sich um.
    »Geht schon.« Die Chefin drückte sich den Busen zusammen, massierte ihr Herz. »Es ist nur … das erinnert mich … meine … Egal.« Sie richtete sich wieder auf. »Röntgen Sie die Tote, ich bin gleich zurück.« Stark schnaufend wankte sie hinaus.
    Das Schlüsselbein, das Becken, die Oberschenkelknochen und die Verknöcherung der linken Hand auf den Röntgenbildern bestätigten, dass es sich um eine junge Frau handelte. Ganz schwach waren noch Wachstumsfugen vorhanden, die bei Erwachsenen nur mehr als feine Linien zu erkennen gewesen wären. Etwas anderes, weiter oben, zeigte sich im Schwarz-Weiß des Röntgenbildes. Carina besprach sich mit Dr. Herzog. Das Zungenbein, das lose wie die anderen Halswirbel zwischen Schädel und Schultergürtel gelegen hatte, war zertrümmert. Wenn sich bei der Öffnung des Brust- und Bauchraumes keine weiteren Spuren fanden, war die Jugendliche demnach erwürgt worden, und zwar mit großer Kraft. Sollten sie angesichts dieser Erkenntnisse allein mit der Sektion fortfahren? Wo blieb Feininger nur? Als sie mit der Leiche zurück in den Seziersaal rollten, beschloss Dr. Herzog, nach der Chefin zu suchen. Er ging hinaus.
    Wie hieß die Tote, fragte sich Carina, wer vermisste sie? Vorsichtig öffnete sie die zu einer Faust verkrampften Finger der verbliebenen Hand. Nur noch eine Fingerbeere, der Daumen, war vollständig vorhanden. Er hatte sich unter den anderen verborgen. Sie löste mit dem Skalpell die schwarz verschrumpelte Kuppe und stülpte sie sich wie einen Fingerhut auf den eigenen behandschuhten Daumen. Wenn man die Fingerbeere einweichte, würde sie aufquellen, und man konnte einen brauchbaren Fingerabdruck gewinnen. Sie suchte in den Schränken nach Glycerin.
    Käseweiß und leicht schwankend betrat die Professorin auf Dr. Herzog gestützt den Raum, wandte sich kommentarlos den Röntgenbildern zu und nickte. »Eines sage ich Ihnen gleich, Frau Kyreleis … «
    Carinas Puls begann zu rasen. Was hatte sie falsch gemacht? Ohne Anweisung den Finger einer ohnehin Verstümmelten abgeschnitten? Zu spät, da musste sie nun durch.
    Feininger holte Luft. »Ich habe nicht vor, in Pension zu gehen, vorerst jedenfalls noch nicht. Falls Sie es darauf abgesehen haben. Auch wenn Ihr Lebenslauf für zwei reicht. Kommen Sie mit.« Herzog verdrehte hinter ihrem breiten Rücken die Augen und schenkte Carina ein gequältes Lächeln. Die Professorin löste sich von ihm, straffte ihren Kittel und stapfte voraus, die Treppe hinunter.
    Jetzt war es so weit. Carina wurde gefeuert, hatte nicht einmal Zeit, ihre Tasche zu holen. Was konnte sie zu ihrer Verteidigung vorbringen? Sie eilte der Chefin hinterher, an der Haustür vorbei, weiter in den Keller.
    Feiningers Keuchen wies ihr den Weg. »Mein Physiotherapeut … hat mir … geraten, so oft … wie möglich … die Treppe zu nehmen.« Sie kamen in dem langen mit Rohren verhängten Gang unter dem Institut an. »Wenn ich dann … mit einem Herzinfarkt hier unten … liege, ist es seine Schuld.« Sie stützte sich auf die Oberschenkel, bis sie wieder zu Atem gekommen war.
    »Ich muss sagen, Matthias Kyreleis hat mir nicht zu viel vorgeschwärmt, als er mir vorschlug, eine Stelle für eine Knochenexpertin einzurichten.«
    Was? Carina stockte der Atem. Dann hatte ihr Vater das arrangiert? Am Ende hatte er sogar noch das Unfallauto manipuliert, weil sie den Brief mit dem Stellenangebot ignorierte. Sie konnte es nicht fassen. »Heißt das, Sie haben gar keine Spezialistin im Team gesucht, sondern nur meinem Vater einen Gefallen getan?«
    Feininger öffnete eine Tür und knipste die Lampen an. »Schon beeindruckend, das mit der Tochter des Bürgermeisters. Ihr Vater hat den Zeitungsausschnitt sogar übersetzen lassen.« Mit einem Schwung ihres Bauches schob sie einen Rolltisch an die Wand, verrückte Stühle und hob eine Haube von einem Flachbildschirm. »So.« Sie wischte sich mit dem Kittelärmel die Stirn. »Der Computer ist neu, die anderen Gerätschaften stammen aus dem Altbau. Nebenan, den alten Röntgenraum, können Sie auch benutzen. Richten Sie sich hier ein, wie Sie mögen. Und was Sie nicht brauchen, schmeißen Sie raus. Nusser hilft Ihnen bestimmt. Dann rekonstruieren Sie das Gesicht. Selbst wenn wir die Tote über den Zahnstatus identifizieren, müssen wir wissen,

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