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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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unmöglich ihn meinen. Nicht jung wie Marie war sie, sondern älter, vielleicht doppelt so alt. Ihm war das sowieso lieber. Keine Hirngespinste und Tagträume mehr, die er zu erfüllen hatte. Zwei lange Jahre hatte er nun nach der Richtigen Ausschau gehalten. Viele, die von weitem einen klaren, offenen Blick hatten, kniffen von nahem die Augen zusammen, rümpften die Nasen oder sahen über ihn hinweg, als wäre er ein Straßenschild oder der Kartenabreißer im Kino. Evas Zeichen dagegen waren eindeutig gewesen. Vor zwei Wochen hatte sie wartend auf der ersten Stufe der ausgeschalteten Rolltreppe gestanden, so als müsste es gleich losgehen, als müsste sich die Treppe doch noch in Gang setzen. Er bedeutete ihr, dass er die Rolltreppe reparierte, dass sie kaputt sei. Da ergriff Eva seine fuchtelnde Hand, und ließ sich wie eine Prinzessin um das Geländer herum zur Steintreppe führen. Er begleitete sie hinauf. Oben bedankte sie sich und fragte ihn lachend, ob er das immer für sie tun würde. Als sie ihre Hand aus der seinen löste und davonstakste, folgte er ihr unauffällig bis zur Wohnung, merkte sich, welchen Briefkasten sie aufsperrte und prägte sich ihren Namen ein. Dann rannte er zur Arbeit zurück, überhörte das Gemecker des Vorarbeiters und wedelte vor seinem Hosenschlitz herum, als wäre er nur kurz auf dem Klo gewesen. In Gedanken war er schon bei den Vorbereitungen und sehnte sich nach dem Feierabend. Auf dem Heimweg malte er sich aus, was er mit Eva anstellen würde, wenn er sie endlich besaß. Ihm fiel der Behälter ein, den er Marie hatte schenken wollen und den sie abgelehnt hatte. Sie mache keine Musik mehr, sagte sie. Töne einfangen und schnell den Deckel zuschlagen, sie bewahren, für stille Zeiten, wie Gesichter. Damit er was zum Erinnern hatte. Marie war nicht zu überzeugen gewesen, hielt den Kasten für nutzlos. Seit zwei Jahren stand er nun leer herum.
    Ein Stadtstreicher hatte damals seinen Fusel darin gelagert, bettelnd auf der Sonnenstraße gesessen und sich blind gestellt. Den Zehner, den er ihm bot, hielt der Alte gegen das Licht, schob das vielfach geflickte Teil so unter sich, dass er es zu zerquetschen drohte, und gab es erst für einen Zwanziger her.
    Zu Hause entstaubte er den Kasten, verstärkte den morschen Griff mit zwei Lederstücken, befestigte einen Riemen zum Umhängen an den Seiten und räumte seine Instrumente hinein. Sogar das Buch hatte darin Platz, und Maries Hand passte wunderbar in die samtüberzogene Klappe im Deckel.
    Mit einem Blumenstrauß in der einen Hand und dem Instrumentenkasten über der Schulter stand er endlich vor Evas Haustür. Er presste sein Ohr an die Tür. Das Gebell schwoll an, ebbte ab, wenn der Hund Luft holte, hörte endlich ganz auf. Vielleicht beschwerte sich jemand über den Lärm, kam herunter und öffnete ihm. Aber wie sollte er dann in ihre Wohnung gelangen? Nein, er musste es einfach wagen und einen anderen Weg wählen. Er klemmte sich den Strauß in den Ausschnitt seines Hemds, schob den Kasten auf den Rücken und sah sich um. Hoffentlich beobachtete ihn niemand aus einem der Fenster ringsum. Schnell packte er den Ast einer Linde und zog sich hoch. Weiter oben im Baum, von den gelb verfärbten Blättern geschützt, konnte er über das Balkongeländer in die Wohnung spähen. Die Forelle schlug Salto in seinem Hirn. Eva lag nicht auf dem Balkon, sondern drinnen auf der Couch, lang ausgestreckt, und erwartete ihn. Was sollte er tun? Er wollte nicht einbrechen, hatte gehofft, sie würde ihm öffnen, wie eine Frau, die ihren Mann empfing. Aber sie hatte sein Klingeln ignoriert, wollte ihn offenbar auf diese Art hineinlocken. Das passte zu ihr. Auch er mochte Heimlichkeiten.
    Zuerst warf er die Blumen übers Geländer, sprang dann selbst hinterher. Mit den Fingern bohrte er ein Loch in die Fliegengittertür, löste den Sturmhaken von innen und trat ein. Sie tat so, als bemerkte sie ihn immer noch nicht. Er keuchte, klopfte sich gegen die Stirn, als er das Blut sah, das aus Evas Handgelenk tropfte und zwischen den langen Fasern des Wollteppichs eine dunkle Pfütze bildete. Auch stürmte der Hund nicht auf ihn zu, obwohl er wieder zu bellen angefangen hatte. Er schnupperte. Duftkerzen, Gestecke, traurige Harlekine und Deckchen auf den Möbeln, überall roch es nach ihr. Er zupfte die Blumen in Form, fand eine Vase im Wohnzimmerschrank und wollte in der Küche Wasser holen. Doch da sprang der Hund von innen gegen die Glastür, seine riesigen

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