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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Carina.
    »Ich habe nur gedacht, falls sie gleich ein Foto machen für das CD -Booklet.« Sie zerknüllte das edle Teil in der Hand. »Von mir aus, dann lieber Pickelpräsentation, die sollen retuschieren, für was gibt es Photoshop! Ach hier, die ist für dich. Mein Willkommensgeschenk.« Sie schob Carina das Häkelstück zu. »Ich wollte sie dir zum Flughafen mitbringen, sie ist aber jetzt erst fertig geworden, weil ich die Wolle in einer der Kisten … «
    »Sprich nicht weiter, ich ahne es«, unterbrach Carina. »Meinen Schlüssel hast du nicht zufällig gefunden?«
    »Ich bleib dran, versprochen. Jetzt probier mal auf, ist noch nicht vernäht.« Wo auch immer, Wanda häkelte leidenschaftlich gern. Als Kind hatte sie kilometerlange Luftmaschenschlangen produziert, war damit sogar einmal in der Zeitung gewesen, weil eine der Schlangen um das Münchner Rathaus reichte. Mit den Jahren wurde die gesamte Verwandtschaft behäkelt. Nur Sandro weigerte sich, ihre Handarbeiten anzuziehen. Fäden hingen Carina in die Augen, aber sonst passte die rote Mütze.
    »Beeil dich, ich will dir vorführen, was ich einstudiert habe.« Wanda scheuchte sie zur Essensausgabe, kaum dass Carina das Ding aufgesetzt hatte. Es standen bereits eine ganze Reihe Leute an. Das würde dauern.
    »Warte, ich nehme doch was, einen Cappuccino und einen kleinen Salat«, rief ihr Wanda nach. »Nein, lieber nicht, sonst beklecker ich mich noch, also besser ein Stück Kuchen. Das beruhigt die Nerven.« Dann brauche ich zwei, dachte Carina. In der Schlange vor der Theke sah sie, wie Wanda an Carinas Handy herumklickte. Mist, warum hatte sie das nur auf dem Tisch liegen lassen? Mit ausgestrecktem Arm hielt Wanda es von sich weg und knipste sich in mehreren Posen.
    »Mein Akku ist leer«, sagte sie, als Carina vollbeladen zurückkam. »Und diesen aufregenden Moment musste ich unbedingt festhalten. Schickst du mir die Fotos? Und wer ist der süße Kerl in deinem Fotoalbum? Der sieht gar nicht mexikanisch aus.«
    Carina knallte das Tablett auf den Tisch, riss ihrer Schwester das Handy fort und steckte es ein. Sie hatte vergessen, dass da noch irgendein Schnappschuss von Lars drauf sein musste. »Hast du Papa gesagt, wo ich wohne?«, fragte sie.
    »Spinnst du? Ich hab es dir versprochen. Der soll seinen Kontrolltick woanders ausleben und von mir aus seine Mörder überwachen.« Sie grinste. »Dem Hausmeister habe ich gesagt, dass du Corinna König heißt. Selbst wenn Papa sämtliche Klingelschilder Münchens abklappert und an den Türen fragt, findet er dich nicht.« Sie sprang auf. »So, du bist jetzt der gelangweilte Castingchef – ja, so wie du schaust, hast du echt Talent – , und ich bin die Newcomerin, die dich gleich mit meiner Stimme vom Hocker haut. Was willst du hören, Pumuckl, den Willi von der Biene Maja, Hui Buh oder Winnetouch?«
    Carina rutschte so tief wie möglich in ihrem Drahtstuhl nach unten und duckte sich. Der Appetit war ihr vergangen. Nur um irgendwas in der Hand zu haben knabberte sie an dem französischen Baguette. Mit was würde Wanda am wenigsten Aufmerksamkeit erregen? Carina spürte alle Blicke im Nacken, sogar ein junger Mann in einer karierten Bäckerhose hatte sich auf den Steinstufen niedergelassen und starrte Wanda an. Den hatte sie schon mal gesehen, aber wo? Arbeitete er in einer Bäckerei in der Nähe des Instituts?
    »Ich fang einfach an.« Wanda holte Luft.
    »Kannst du auch Fisches Nachtgesang von Christian Morgenstern?«, schlug Carina vor.
    »Ach, du nimmst mich nicht ernst.« Und sie legte los. Der Bäckergeselle schlug sich gegen die Stirn, natürlich, von Wandas Gequietsche musste jeder Kopfweh kriegen. Doch bei dieser Geste fiel es ihr wieder ein: Er hatte doch im Regen die Laternen gestrichen, im Alten Botanischen Garten, als sie die Tote bargen. Und er musste ja kein Bäcker sein, nur weil er so eine Hose trug. Mit einem Mal hielt sie es nicht mehr aus. »Du hast den Job«, unterbrach sie Wanda, bevor die Glasscheiben ihres Schädelstudios barsten.
    Nachdem Wanda den Apfelkuchen verschlungen hatte, brach sie auf. »Lädst du mich ein, dafür übernehme ich es das nächste Mal, ja?«
    »Du meinst, nach dem großen Durchbruch, wenn du in Geld schwimmst.«
    »Du glaubst nicht wirklich an mich, stimmts?«
    Carina überging die Frage. »Hör mal, du hast kein Geld, kein Handy, du bist ja völlig von der Außenwelt abgeschnitten.« Wanda hatte sich nicht verändert. Carina konnte sich nicht erinnern, jemals von

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