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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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ihr zum Kaffee eingeladen worden zu sein. »Hast du wenigstens eine Fahrkarte? Wo ist das Casting überhaupt?«
    »Der Typ holt mich auf dem Königsplatz ab. Seinen Namen weiß ich noch nicht.«
    Dort hatte Luise Salbeck auch ihre Schwester wiedergesehen.
    »Drückst du mir trotzdem die Daumen?« Hastig umarmte sie Carina.
    »Klar, viel Glück, ich glaub an dich, nicht trotzdem, sondern überhaupt«, sagte Carina.
    »Danke auch, dass du dich um Sandro kümmerst.«
    Hüftschwingend schlängelte sie sich durch die Leute davon.
    Ihr Neffe, daran hatte Carina gar nicht mehr gedacht. Aber sie musste doch bis morgen früh die Rekonstruktion fertig haben. Außerdem kam gleich Clemens wegen des Experiments. Sollte sie es verschieben? Das hatte ihre Chefin immerhin verlangt. Sie stand auf. Eine schnelle Runde durchs Museum musste einfach sein, wenn sie schon mal hier war. Von weitem sah sie ihre Schwester noch an der Garderobe. Gerade legte sie sich wieder den Schal um. Typisch Wanda, immer am Flirten. Diesmal mit dem jungen Mann in der Bäckerhose, der auf den Stufen gesessen und ihrer Generalprobe gelauscht hatte. Ihm hatte es anscheinend gefallen.
    Wie vertraut ihr die Skulpturen ringsum waren, der alte Mann mit dem zerfurchten Gesicht, der nackte, sich auf einem Pantherfell räkelnde Satyr. Der mollige Knabe, der eine Gans am Kragen packt. Die Gans schreit, sogar die leicht eingerollte Zunge ist zu sehen und die Kauflächen. Die Friedensgöttin Eirene, der ein Stück der Nase fehlt. Das Kind, das sie auf dem Arm trägt, mustert sie, als wollte es sagen: Was ist mit deiner Nase passiert, hast du etwa zu viel gebohrt? Doch am liebsten mochte Carina den Saal mit den römischen Bildnissen, ein Porträt neben dem anderen, Frauen und Männer, junge und alte. Neben dem Hund aus Stein setzte sie sich auf eine Bank und zog ihr Skizzenbuch und den Stift heraus.
    »Nur mit Bleistift, bitte. Kugelschreiber, Füller und so weiter sind nicht gestattet«, sagte ein Wärter.
    Wie hatte sie das vergessen können. Aber der Bleistift befand sich in ihrer Tasche an der Garderobe.
    »Hier.« Der Wärter reichte ihr einen Stummelbleistift aus seiner Brusttasche. Dann deutete er auf ihre Zeichnung der erwachsenen Rosa Salbeck. »Die kenne ich.«
    »Was?« Carina verstand nicht gleich. »Sie meinen, Sie haben diese Frau hier schon mal gesehen?«
    »Ja, klar, jeden Tag.« Er lachte. »Da hinten, das Porträt der Römerin, meine Lieblingsbüste. Schade, dass es solche Frauen nicht in Wirklichkeit gibt.« Tatsächlich ähnelte die Skulptur mit den fein gearbeiteten Gesichtszügen der Rekonstruktionsskizze. Vielleicht, durchfuhr es Carina, hatte sie durch ihre Zeichenübungen diese Römerin so verinnerlicht, dass sie sie auswendig konnte. Und vielleicht hatte Luise bei einem Glyptotheksbesuch diese Büste gesehen und danach gedacht, sie hätte ihre Schwester auf dem Königsplatz wiedererkannt. Eine Wunschvorstellung, die tote Schwester sei auferstanden, weiter nichts.

27.
    Wie jeden Mittwoch hatte er mit dem Handkarren frisches Gebäck und belegte Semmeln zum Glyptothek-Café geliefert und wartete nun, bis die Tabletts abgeräumt wurden. Er setzte sich in den Innenhof und betrachtete die Leute. Schade, dass er seinen Kasten nicht dabeihatte, den hatte er draußen auf der Handkarre gelassen. Hier hockten einige hübsche Frauen. Wie auf einer tiefergelegten Bühne waren sie für ihn an Tischen aufgereiht. Eine gefiel ihm besonders, wieder eine ältere; sie berührte etwas in ihm, das sich aufregend anfühlte. Hatte er sie schon mal gesehen? Er fixierte sie, tastete ihre Züge mit den Augen ab. Wie immer versuchte er sich die Schönheit des Gesichts einzuprägen, aber wenn sein Blick zur Nase sprang, hatte er die Form ihrer Lider vergessen, war er bei ihrem Mund und registrierte, wie sie unterm Sprechen mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr, wusste er die Wölbung ihrer Nase nicht mehr. In seinem Inneren wollte sich einfach kein Bild zusammensetzen. Trotzdem sagte ihm sein Körper, dass sie die Richtige war. Es kribbelte überall. Sie hatte sich herausgeputzt, als wäre es ihr schönster Tag. Wenn er sie für sich gewinnen konnte, war das auch so, ihr schönster und ihr letzter Lebenstag zugleich. Ihr Antlitz gehörte dann für immer ihm allein. Er musste sie nur so weit bringen, dass sie ihm vertraute und ihm in seine persönliche Glyptothek folgte, seine ganz private Sammlung. Dort hatte er alles sorgfältig vorbereitet. Er würde ihre zarte

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