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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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auch verwandelt hatte, wenn sie gar nicht gefunden werden wollte, weil sie nie die war, für die sie ihre Schwester gehalten hatte? Sandro war eingeschlafen und Wanda noch immer nicht aufgetaucht. Wenigstens konnte sie Bescheid geben, wo sie steckte und wann sie endlich kam. Dass Sandro bei Carina übernachtete, war nicht ausgemacht gewesen. Gandhi zuckte mit den Ohren, als sie ihn streichelte. Er schnarchte immer noch, lang ausgestreckt mitten im Raum. Sie setzte sich in die Fensternische des Dachgiebels, starrte über die funkelnde Stadt und dachte an Clemens. Aufgeführt hatte sich der, als wären sie schon ein Paar, nur weil sie ein bisschen in der Röntgenkammer rumgemacht hatten. Sie konnte sich verabreden, mit wem sie wollte. Im Moment, wo sie noch nichts selbst kochen konnte, war auswärts essen sogar notwendig. Und schon aus Trotz bekam sie jetzt Lust, mit diesem Dr. Herzog auszugehen, nur essen natürlich, keinen Kaffee auf irgendeinem Hotelzimmer, oder was er sich eigentlich erwartete. Sie klappte ihr Handy auf, kontrollierte nochmal den Posteingang, nichts. Sorgte sich ihre Schwester denn gar nicht um ihren Sohn? Sollte Carina ihre Eltern anrufen und fragen, ob sie was von Wanda gehört hatten? Sie zögerte, am Ende sah es so aus, als könnte sie nicht auf ihren Neffen aufpassen. Wieder überlegte sie, ob sie ihren Vater fragen sollte, warum er sie wegen der Akte belogen hatte. Warum er zuerst so tat, als wüsste er nichts über Rosa Salbeck, und ihr dann doch die Akte zukommen ließ. Andererseits wollte sie sich nicht in seine Arbeit einmischen; schließlich verlangte sie das auch von ihm. So tippte sie nur eine kurze SMS : Testergebnis: Freispruch für Gandhi, lg C.
    Sie sammelte die verstreuten Seiten auf und blies die Hundehaare von den Röntgenbildern. Ein weißes Haar hatte sich unter die Beschriftung der älteren Aufnahme mit dem makellosen Gebiss geschoben. Carina kratzte mit dem Fingernagel darauf herum. Der Streifen mit den Daten war aufgeklebt, so sorgfältig, dass es erst auf den zweiten Blick auffiel. Das Röntgenbild war auch kürzer als das andere, stellte sie fest, als sie die beiden wieder übereinanderlegte. Eindeutig, hier hatte jemand die Daten manipuliert. Grübelnd nahm sie ihre Brille ab und putzte sie mit dem Rand ihres Shirts.
    Luise Salbeck hatte gesagt, das Bundeskriminalamt habe sich um den angeblichen Selbstmord gekümmert. War nicht dieser Krallinger zum BKA gegangen? Ihn konnte sie fragen, ob es noch Asservate von Rosa Salbeck gab für einen DNA -Abgleich. Eigentlich sollte sie sich gar nicht damit befassen, aber es ließ ihr keine Ruhe. Wieso ermittelte das BKA überhaupt? War es Zufall, dass dieser Typ mit dem Feuermal ausgerechnet zu einem Zeitpunkt auftauchte, als Luise Salbeck ihre Schwester in der Menge erkannte – oder das zumindest glaubte? Sie gähnte und streckte sich. Ihre Gelenke knackten. Irgendwann musste auch sie mal abschalten. Sie rieb sich mit den Zeigefingern die Augen unter der Brille. Schwierig, sich zu entspannen, wenn der Schlafsack besetzt war und sie wie auf Kohlen auf ihre Schwester wartete. Sandro erwachte quengelnd. Eine Pfütze breitete sich auf der Isomatte aus und lief in die Fußbodenritzen. Das auch noch!
    Was war eigentlich mit Rosa Salbecks Brille? Setzte eine Selbstmörderin die Brille ab, bevor sie ins Wasser sprang?

31.
    Nur wegen ihm komme sie immer hierher, behauptete sie. Sie habe nicht gewusst, wie sie ihn ansprechen sollte, habe gewartet, bis er es tat. Zugleich habe sie gespürt, dass es irgendwann geschehen würde, dass er den ersten Schritt tun musste. Ihr hätte es auch genügt, ihn nur anzusehen, so wie heute. Aber nun sei es umso schöner, endlich hätten sie einander gefunden.
    Ihr Geschwätz schien kein Ende zu nehmen, strömte aus ihr heraus und schwallte ihn zu. Nicht alles verstand er, manches wollte er gar nicht hören, blendete es aus wie so oft, wenn man ihm etwas aufdrücken wollte. Ihr Geplapper klang wie das aufgeregte Zwitschern eines Vogels.
    Es störe sie nicht, dass er noch kein Wort gesprochen hatte, das würde noch kommen, auch sie sei im Grunde sprachlos. An seiner Seite folgte sie ihm, als er die Handkarre um die Glyptothek herumzog. Quer über den Königsplatz, dann die schnurgerade Meiserstraße entlang stapften sie am Finanzamt vorbei bis zu dem Ort, den er bereits für sie präpariert hatte. Sie faselte weiter, als hätte er mit seinem Schweigen ein Ventil geöffnet. Letzte Woche habe sie vergeblich

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