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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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und der sie nicht unter Druck setzte. »Was bin ich schuldig?«, fragte sie.
    »Ein Abendessen beim Mexikaner«, schlug Herzog vor. »Ich habe mir gedacht, wir könnten vielleicht heute nach Feierabend zusammen losziehen und ich zeige Ihnen … «
    »Lieber japanisch oder vegetarisch«, unterbrach sie ihn. »Heute allerdings … «
    Clemens’ Versuch, sich hinter Herzogs Rücken leise aus der Kammer zu schleichen, scheiterte an Gandhi. Der Hund sprang freudig bellend an ihm hoch.
    Herzog wandte sich um. Carina bemerkte seinen Blick auf Clemens’ ausgebeulte Hose. »Sie rekonstruieren anscheinend auch noch andere Sachen?«
    Carina lachte. »Ach, in der Kammer steht so einiges herum.«
    Clemens warf ihr einen bösen Blick zu. »Lasst euch nicht stören, ich bin schon weg.« Er packte den Tierarztkoffer und hakte Gandhi an die Leine. »Und den nehme ich auch gleich mit.«
    Carina griff seine Hand. »Darum kümmere ich mich.«
    »Meinetwegen.« Clemens warf die Leine fort und knallte die Tür zu. Gandhi sprang ihr entgegen, als sie die Leine aufhob, und leckte ihr das Gesicht ab. Sie ließ es zu, schließlich war er ja frei von jedem Verdacht. Eine peinliche Stille entstand. Fehlte nur noch, dass sie gemeinsam den Hund tätschelten, damit der endlich zu sprechen anfing.
    Es klopfte. Clemens, der zurückkam, hoffte Carina. »Danke nochmal für die Analyse, aber heute und morgen habe ich leider überhaupt keine Zeit«, sagte sie schnell zu Dr. Herzog und öffnete die Tür. »Sie haben was gut bei mir.« Nach einem letzten Blick auf sie und den Hund verabschiedete er sich und ging.
    Frau Schauer trat ein und reichte ihr eine Aktenmappe. »Die wurde gerade für Sie abgegeben.«
    Carina entfernte sofort die rosafarbene Haftnotiz, Liebe Grüße von Papa . Also hatte doch er sich die Akte ausgeliehen – und sie belogen.
    Die Sekretärin bückte sich und kraulte Gandhi mit gespreizten Fingern den Hals. Wahrscheinlich hasste sie Hunde und tat das nur, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. »Das ist aber ein Braver, haben Sie den vom Tierarzt?« Das klang, als verteilte Clemens überall großzügig Geschenke, Blumen für sie und einen Hund für Carina, wenn einer im Veterinäramt übrig war. Gandhi sabberte auf Frau Schauers Seidenstrümpfe.
    »Der Hund gehört Frau Bretschneider«, erklärte Carina. »Einer Frau, die man leblos … «
    Die Sekretärin wich zur Tür zurück. »Um Gottes willen! Sie meinen doch nicht dieses Vieh, das seinem Frauchen das Gesicht abfressen wollte? Weiß die Frau Professor davon?«
    »Er war es nicht, das haben Ihr Blumenfreund und ich soeben bewiesen.«

30.
    »Krieg ich den für immer?« Sandro war begeistert, als er Gandhi am Fahrradständer vorm Kindergarten entdeckte. Einen Hund hätte er sich schon immer gewünscht. Er umhalste ihn, tastete den schwarzen Fleck ums Auge des Hundes ab, so als sei er aufgemalt. »Wieso ist sein Maul in einem Käfig?«
    »Damit er nicht aus Versehen jemanden beißt, wenn es eng wird in der S-Bahn«, erklärte Carina.
    Sandro presste sich mit den Fingern die Lippen zusammen, um auszuprobieren, wie sich ein versperrter Mund anfühlte. »Und wie frisst und trinkt er dann?«
    »Zu Hause nehmen wir ihm den Maulkorb ab«, versprach sie. »Aber erst mal gehen wir einkaufen, was magst du?«
    »Schokolade, Gummibärchen, Salamiwurst in der Tüte und gaaanz viel Eis.«
    In der Wohnung lockerte Gandhi seinen Kiefer, als Carina den Maulkorb löste, und bellte los. Dann jagten er und Sandro um die Wette durch die Zimmer. Ihr Neffe auf Socken klimperte beim Laufen. An den Gürtelschlaufen seiner Hose war Spielzeug befestigt. Bald wusste sie nicht mehr, wer wem folgte. Eine Eisspur und irgendetwas Wässriges, das sich hoffentlich nicht als Hunde- oder Kinderpipi entpuppte, glänzten auf den Dielen. Sie hatten zusammen eine Pizza und Schokoladenpudding aus Plastikbechern gegessen und Limonade getrunken. Vielleicht sollte sie sich doch bald um einen Ofen kümmern, um wenigstens ab und zu mal selbst kochen zu können. Mit einem Getreidekaffee aus dem Boilerwasser setzte sie sich auf die Isomatte und versuchte sich trotz des kläffenden Hundes und des kreischenden Neffen auf die Akte Salbeck zu konzentrieren.
    Bei Reinigungsarbeiten am Wehrrechen nahe der Großhesseloher Brücke hatte man im April 1997 einen Leichnam entdeckt. An einem Vordruck, der Umrisszeichnung einer Frau, dokumentierte die Feuerwehr die schwierige Bergung, markierte darauf auch die Schäden durch die

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