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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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hatte sie sich dem Nächstbesten an den Hals geworfen wie ein Teenie und … Ihr Handy vibrierte. Wehe, wenn es Clemens mit irgendeiner Ausrede war.
    Eine SMS ihres Vaters, hoffentlich gute Nachrichten über Wanda. bei dir war besetzt, hole dich gleich ab. Haschpapi mit einem Überfall. Sie rief ihn an.
    Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, war er in einer Kneipe. »Eva Bretschneiders angeblicher Bräutigam weiß nichts von einer Verlobung. Ich hab ihn aufgetrieben. Er ist der Wirt vom In Maßen , der Eckkneipe in der Augustenstraße. Er leugnet im Krankenhaus gewesen zu sein und ihr einen Ring angesteckt zu haben. Vielleicht will er es auch nur nicht vor der Frau, die er hier gerade bezirzt, zugeben. Er behauptet, dass Eva Bretschneider ständig mit Selbstmord gedroht hätte. Schwere Kindheit oder so. Jedenfalls wollte er sich ihr Gejammer nicht länger anhören und hat die Beziehung beendet. Dass sie ernst macht, hätte er nicht gedacht. Lass uns in die Poliklinik fahren und Eva nochmal befragen.« Er holte Luft und brüllte weiter ins Telefon. »Du wohnst doch nicht mehr bei Wanda, oder?«
    »Wie hast du das rausgefunden?«
    Er überhörte die Frage. »Äh, verrätst du mir deine Adresse, wenn ich in allen Belangen Besserung gelobe?«
    Sie sagte nichts davon, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen war, die Akte und den Hund geklaut und dann den Schlüssel eingeworfen hatte. Sonst schickte er ihr vor Sorge bestimmt gleich das ganze Spurensicherungsteam auf den Hals. Vielleicht war der Hund selbst entwischt, und die Akte lag doch in der Arbeit. Er sollte erst mal herfahren, dann konnte sie immer noch beichten. Wenigstens nannte sie ihm die Straße und Hausnummer freiwillig, redete sie sich ein, bevor er sie über ihr Handy orten ließ. Als sie das Gespräch beendet hatte, räumte sie die herumliegenden Sachen auf. Die Klingel hustete zweimal, Matte hatte offenbar Gas gegeben. Sie drückte auf den Summer. Mit dem, der dann statt ihres Vaters die Treppe heraufstapfte, hatte sie nicht gerechnet.

41.
    München, 1996
    »Auf Gleis neun, zurückbleiben, Türen schließen selbsttätig.«
    Rosa sprang in den erstbesten Waggon und lief fast bis nach vorne durch. Sie vermied es, aus dem Fenster zu schauen, nicht dass Krallinger sie doch noch vom Bahnsteig aus entdeckte. Als der Zug aus der Bahnhofshalle rollte, ließ sie sich auf einem Sitzplatz nieder.
    Der Schaffner verlangte einen Aufpreis, weil sie ohne Fahrkarte eingestiegen war. »Ihr Fahrziel?«, fragte er.
    Darauf wusste sie keine Antwort, sagte einfach »bis zur Endstation« und bezahlte mit dem Geld aus dem Schließfach. Mit dem gleichmäßigen Rattern der Räder wurde ihr bewusst, was sie alles hinter sich ließ. Vielleicht sah sie ihre Schwester und ihren Sohn nie wieder. Wo sollte sie hin? Was sollte sie tun? Krallinger und vielleicht auch dieser Kyreleis würden sie suchen, überall. Das Bundeskriminalamt würde sie aufspüren, nirgends hätte sie Ruhe. Wenn das bayerische Innenministerium von dem Attentat auf einen Bankchef Kenntnis gehabt hatte, dann war es doch ein Leichtes, Rosa zu finden oder ihre Schwester und ihren Sohn ermorden zu lassen. Ihr einziges Pfand, die Versicherung für ihre Familie, waren die Dokumente aus dem Schließfach. Das Parfüm mit dem Mikrofilm hatte sie in der Deutschen Bank gelassen. Vorerst konnte sie sowieso nichts damit anfangen. Welcher Fotoservice entwickelte schon einen DDR -Mikrofilm?
    In der Zugtoilette fing sie an zu heulen, alles brach aus ihr heraus. Sie schluchzte laut. Jemand klopfte, schnell wusch sie sich das Gesicht und die verschmierten Brillengläser, wischte sich die Schminke ab. Der Wartende wollte protestieren, warum sie das Klo so lange blockiere, es seien schließlich noch mehr Leute hier, aber als er sie sah, bleich und die Augen von Wimperntuscheresten schwarz umringt, verstummte er. Sie drängte sich an ihm vorbei. Er bot ihr seine Hilfe an. Sie lehnte ab, wankte auf ihren Platz zurück. Es war zu spät, sie stürzte in ein neues Leben, wieder einmal.

42.
    Nicht er, ausgerechnet. Woher wusste er, wo sie wohnte? »Der Hausmeister behauptet, der Hund gehört dir. Er hat ihn im Keller gefunden.« Lars stieg die Treppe herauf, an einem Strick führte er Gandhi mit sich, mit der anderen hievte er einen Rollkoffer die Stufen hoch. Der Hund sprang Carina an, sie fing sich an der Flurwand ab. Hundeerziehung gleich null, Frau Bretschneider, dachte sie, rieb sich den Rücken und nahm Lars den Strick ab, der an

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