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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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sein könnte?«
    »Nein, ihre Freundinnen hab ich schon angerufen. Aber bei der Gelegenheit fällt mir ein, wenn Carina bei dir ist, dann kannst du es ihr ja endlich sagen. Und dann komm gefälligst mit Blaulicht heim.« Sie legte auf.
    »Was meint Mama, was sollst du mir sagen?«, fragte Carina. Die Andeutung von heute Nachmittag – was steckte dahinter?
    Er konzentrierte sich auf den Verkehr, grüßte überschwänglich einen Streifenwagenfahrer, der ihnen entgegenkam.
    »Ich hoffe, Wanda verliert diesen Job nicht wieder«, sagte er an der nächsten roten Ampel.
    »Dann ist das nicht das erste Mal, dass sie einfach abhaut?« Carina konnte es kaum glauben. Sie war zwar auch ohne ihren Eltern Bescheid zu geben nach Mexiko gegangen, aber sie hatte kein Kind zurückgelassen.
    »Spätestens übermorgen taucht sie wieder auf, heult und entschuldigt sich tausendmal«, erklärte Matte. Er war anscheinend immer noch nicht sonderlich beunruhigt.
    Carina war entsetzt. »Wegen einer Liebschaft lässt sie ihren Sohn im Stich und hofft, dass wir uns um ihn kümmern.«
    »Na ja, Liebschaft«, Matte verzog das Gesicht. »Für deine Schwester ist es jedes Mal der Mann ihres Lebens. Und Silvia kümmert sich nicht nur um Sandro, sondern päppelt auch hinterher Wanda wieder auf. Sag mal, es ist doch nicht zu spät, falls das an Silvias Nase wirklich Krebs ist?« Carina atmete auf, also darum war es bei der Andeutung gegangen. Das zweite Versprechen hatte sich in Luft aufgelöst, Silvia hatte Matte eingeweiht.

43.
    Deggendorf, 1996
    » Dringent: Ferkeuferin gesucht « stand in krakeliger Schreibschrift an der Eingangstür des Drogeriemarktes. Rosa steckte Julias Lesebrille weg – von der bekam sie nur noch mehr Kopfschmerzen. Sie war am nächstbesten Halt ausgestiegen und in Deggendorf gelandet. Was sollte sie tun, wo sollte sie hin? Ihre Füße in den engen Stiefeln, die sie zur Hälfte heruntergeklappt hatte, bestimmten den Weg. Es würde nicht lange dauern, dann schnappte man sie. Wenn sie auf der Strecke ins Stadtinnere an einem Polizeipräsidium vorbeikam, würde sie sich stellen. Falls ein Polizeiauto vorbeifuhr, würde sie es anhalten, sagte sie sich mit jedem Schritt. Die vorüberbrausende Feuerwehr galt nicht und das Wachauto einer Schließfirma vor einer Bankfiliale auch nicht. Sie war den unscharfen Schildern in die Altstadt gefolgt und hatte die Farben des Blumenmarktes aufgesaugt. Hier in der Drogerie wollte sie sich etwas zu trinken und Pflaster für ihre Blasen kaufen. Im Gegensatz zum Wochenmarkt auf dem Rathausplatz, war der Laden leer. Die Kassiererin kaute Kaugummi und feilte sich ganz vertieft die Fingernägel.
    Rosa legte eine Familienpackung Pflaster, Taschentücher und eine Flasche Wasser aufs Laufband. »Sie suchen eine Verkäuferin?«
    »Zwölfvierzig die Stunde, einen Nachmittag frei. Dafür Arbeitsbeginn um sieben, wenn der Lieferant kommt«, ratterte die Frau los, ohne aufzusehen. Mit zu braunem Makeup hatte sie versucht, ihre unreine Haut zu überdecken. Erst als sie den kleinen Fingernagel in Form gebracht hatte, hielt sie inne und streckte Rosa die Hand entgegen. »Ich bin die Gaby mit Ypsilon, und du?«
    »R-Regina.« Sie besann sich auf Felix’ Trick, die Anfangsbuchstaben bei einem Decknamen zu behalten, damit man noch den Bruchteil einer Sekunde hatte, um sich zu korrigieren. Ihr Blick fiel auf ein Schlussverkaufsschild mit reduzierten Badeschuhen. »S-Sommer«, ergänzte sie.
    Der Kassenstuhl quietschte, als Gaby sich erhob und aus dem Karbäuschen kletterte. »Dann zeige ich dir mal alles, ist sowieso gerade Flaute. Wann kannst du anfangen?«
    Eine Viertelstunde später reichte ihr Gaby den Arbeitsvertrag. Ohne einen Ausweis verlangt zu haben, den ihr Krallinger abgeknöpft hatte, oder irgendetwas von ihrer Vorgeschichte zu wissen, gab sie ihr die Stelle. Rosa umklammerte den Stift, zerquetschte ihn fast, um das Zittern ihrer Hand zu unterdrücken, und wollte schreiben, doch das Ding schrieb nicht. Ein R hatte er geschafft, dann war Ende. Gaby riss ihr den Kugelschreiber weg und kritzelte auf einer Fototasche herum, bis er wieder anging.
    »Regina Sommer«, unterzeichnete sie, stockte jedoch, als Gaby mit ihrem Bärchenaufkleber-Fingernagel weiter oben auf die Felder »Bankkonto und Adresse« tippte. Spätestens jetzt würde sie das Papier zerreißen und sie hinausscheuchen.
    »Ich hab noch keine Wohnung, bin gerade erst angekommen.«
    Gaby musterte Rosa in ihrer zerknitterten, verschwitzten

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