Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen
Gandhis Halsband geknotet war. In eine leere Plastikschachtel, noch vom griechischen Essen, füllte sie Hundefutter. Gierig stürzte sich Gandhi darauf.
»Ich war zuerst im Institut.« Lars stand immer noch in der geöffneten Haustür, setzte jetzt unterm Reden einen Fuß über die Schwelle. »Die Sekretärin hat mir deine Adresse gegeben.«
Hoffentlich bekam Frau Schauer von den vielen Blumen richtig starken Heuschnupfen. Carina musste mit ihr ein ernstes Wort über Datenschutz und Sicherheit reden. Die Frau wäre bei der Information im Kaufhof besser aufgehoben als in einem Institut für Rechtsmedizin. Sie wollte die Tür zuschlagen, damit der Hund nicht wieder abhaute, doch Lars drängte sich an ihr vorbei in die Wohnung.
»Carina, warte.« Schon keuchte der Nächste die Treppe herauf. Ihr Vater. »Du kümmerst dich um den bissigen Köter?«
»Tag, Herr Kyreleis, oder wie sagt man hier … ›Grüß Gott‹?« Lars streckte ihm die Hand entgegen. Matte ignorierte sie.
»Der Hund beißt nicht, ich hab’s dir doch erklärt«, erwiderte Carina. Sie hatte Lars nie gesagt, dass ihr Vater ihn in den Polizeiregistern überprüft hatte, ob er seiner Tochter würdig sei. Als die beiden sich das letzte Mal begegneten, waren Lars und sie frisch verliebt gewesen, und Carina hatte ihn zum Sonntagsessen mitgebracht.
»Ich werde Karl von der Rettung ausrichten, dass er sich den Biss ins Bein nur eingebildet haben muss.« Beiläufig beäugte Matte Lars.
»Der Hund hat nur sein schwer verletztes Frauchen verteidigt, weiter nichts. Komm, wir fahren zu Eva Bretschneider.« Sie tat so, als wäre Lars einfach ein Teil der Wohnung, fuhrwerkte um ihn herum wie um eine Säule, schnappte sich ihr Handy und ihre Tasche.
»Kann ich mitfahren?« Die Säule sprach. »Polizeiarbeit hat mich schon immer interessiert. Du weißt doch, dass ich Krimis liebe, und ich verspreche auch … «
Von seinen Versprechen hatte sie genug. »Leihst du mir deine Handschellen, Papa?« Lars lächelte gequält und wich rückwärts ins große Zimmer.
Erschöpft winkte sie ab. »Von mir aus, bleib erst mal hier. Wenn dir Gandhi was übrig lässt, kannst du seine Schüssel auskratzen, bis ich zurückkomme.«
Mit angehaltenem Atem stieg sie in Mattes Auto und schnallte sich an. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie Flammen aus der Kühlerhaube aufsteigen sehen. Sie schluckte und atmete aus.
Ihr Vater, die Hand am Zündschlüssel, beobachtete sie. »Ich weiß von deinem Unfall.«
»Was weißt du nicht«, knurrte sie und rollte das Fenster herunter.
»Bist du selbst am Steuer gesessen, oder wer ist gefahren?«
Entweder war das eine Fangfrage, oder er wusste es wirklich nicht. Er rangierte aus der Parklücke und fuhr los.
»Was hast du eigentlich über Lars rausgefunden?«
»Nichts. Es tut mir leid.«
So einfach war das, fünf Worte und abgehakt. Sie sog den Fahrtwind ein.
»Darf ein Vater sich nicht um seine Tochter sorgen? Ist das verboten oder verkehrt?«
Bloß jetzt keine Selbstmitleidsrede, davon hatte sie für heute genug. »Tut es dir auch leid, dass du mir hinterherspioniert hast, mich überall kontrollierst, sogar meine Chefin überredet hast, eine Stelle für mich zu schaffen?«
»Na ja, ganz so war das nicht. Ich war so stolz auf dich, als ich das mit der rekonstruierten Kinderleiche las. Ich dachte mir, dass wir so jemanden dringend in München bräuchten, und hab ihr davon erzählt.«
Wieso hörte es sich aus seinem Mund immer so harmlos an? Sie wollte, aber konnte ihm einfach nicht böse sein. Eigentlich schade, dass Lars eine reine Weste hatte, dann hätte sie ihren Groll wenigstens auf ihn übertragen können. Mattes Handy klingelte. Er schob es in den Halter an der Scheibe und drückte die Freisprechtaste.
»Sandro ist jetzt bei uns, aber ich habe gleich eine Geburt. Wann gedenkt mein werter Gatte heimzukommen?« Silvias Stimme klang müde.
»Hallo, Mama. Ich kann Sandro nochmal mit zu mir nehmen, ja?«, schlug Carina vor.
»Danke, Liebes. Aber er schläft schon. Ich will einfach, dass dein Vater zur Abwechslung mal zu Hause bleibt.«
»Ich hab wegen Wanda bei der S-Bahn angerufen«, sagte Matte.
»Ah, der Meister spricht«, rief Silvia. »Ich hoffe, du findest sie und wäschst ihr diesmal gründlich den Kopf. Sonst bist du doch auch nicht so zimperlich bei deinen Nachforschungen.«
Er überhörte den Seitenhieb. »Wanda war heute nicht in der Arbeit und hat sich auch nicht abgemeldet. Hast du noch eine Idee, wo sie
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