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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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nur noch ein Raucherzimmer frei gewesen. In dem Moment war es ihr gleich. Hauptsache, ein Dach überm Kopf. Sie kippte das Fenster hinter den gelb gefärbten Stores und zerrte die Stiefel von den Beinen. Dann fiel sie wie ein Stein ins durchhängende Bett. Hupen und Gelächter draußen weckten sie früh, sie hatte traumlos geschlafen, fand aber jetzt kaum die Kraft aufzustehen. Sofort lief die quälende Gedankenmaschine wieder an, kaum dass sie wusste, wo sie sich überhaupt befand und welcher Tag heute war. Vierundzwanzig Stunden ohne Kontakt zu ihrer Schwester und ihrem Sohn. Sie musste sich mit ihnen in Verbindung setzen, nur wie? Ein Lebenszeichen ihres Kleinen, und alles wäre leichter zu ertragen. Ohne Appetit biss sie in eine Semmel und spülte sie mit etwas Kaffee hinunter, trotzdem kam ihr Kreislauf nicht in Schwung. Ihr war übel, und kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. In der Drogerie versuchte sie sich zusammenzureißen, nicht dass sie am ersten Tag gleich was fallen ließ. Die Babybreiregale, die Windelsortimente, die Schminkecke, die Haarfärbemittel. Rosa klammerte sich an den Videoständer und zwang sich, ruhig zu atmen. Sie nahm Julias Brille ab, wischte sich die Stirn. Endlich kam das Artikelkarussell zum Stehen. Sie bückte sich, um ein Regal einzuräumen. Die Brille setzte sie nicht wieder auf, lieber kniff sie die Augen zu Schlitzen zusammen, um die Namen lesen zu können, auch wenn sie mit der Nase fast an die Produkte stieß.
    Ajax, Bref, Cillit, Domestos, Ego, Frosch, General … Für jeden Buchstaben gab es einen Reiniger, nur durfte sie die nicht nach dem Alphabet einsortieren. Mit festem Griff packte sie Flasche um Flasche, um ihr Zittern zu unterdrücken. Gaby hielt sie wahrscheinlich schon für eine Alkoholikerin auf Entzug. Außerdem rechnete sie bei jedem Kunden, der die Drogerie betrat, damit, dass er sich als Stadtpolizist entpuppte, der ihr Fahndungsfoto kannte. Eine Sprühflasche Meister Proper glitt ihr aus den Händen, sie konnte sie gerade noch auffangen. Doch der Sprüharm schlug auf die nächste Flasche der aufgebauten Reihe, und alle Reiniger kippten wie Dominosteine vom Regal. Gaby sprang aus ihrer Kassenbox, eilte ihr zu Hilfe. Am ganzen Leib zitterte Rosa jetzt, sie war am Rande einer Ohnmacht. Obwohl sie dagegen ankämpfte, gaben ihre Füße nach, und in ihren Ohren rauschte es wie Isarwasser.
    Ungeachtet des schimpfenden Kunden an der Kasse nahm Gaby sie in die Arme und strich ihr über den Rücken. »Du brauchst nicht nervös zu sein. Wir räumen zusammen auf und fertig. Als ich nach den Kindern wieder zu arbeiten angefangen hab, wollte ich gleich wieder aufgeben. So viele verschiedene Haartönungen, und die Leute nerven mit Fragen und Empfehlungswünschen. Der beste Weichspüler oder wie kriegt man eingewachsene Haare aus der Nase.« Sie äffte mit tiefer Stimme jemanden nach. »Meine Frau mag mein Fußspray nicht, empfehlen Sie mir was Vernünftiges.« Sie tätschelte Rosa die Wange. »Na siehst du, es geht schon wieder.«
    Der Kunde an der Kasse rief jetzt: »Was sind denn das hier für Zustände, ich will den Filialleiter sprechen, sofort!«
    Erst als die Flaschen wieder im Regal standen, wandte Gaby sich an den geifernden Mann. »Ja, bitte, Gabriele Lechner, Filialleitung, was kann ich für Sie tun?«

46.
    Ganz in Gedanken sperrte Carina die Wohnungstür auf und erschrak, als ihr Lars entgegenkam. Den hatte sie völlig vergessen. Sie wich seiner Umarmung aus und streichelte stattdessen Gandhi, der sie schwanzwedelnd begrüßte.
    »Wir beide haben uns super verstanden.« Er tätschelte den Hund ebenfalls.
    Carina wusste, dass er mit Tieren nicht viel anfangen konnte, im Zoo von Villahermosa hatte er die ganze Zeit nur mit seinem Handy gespielt. Er liebte, wenn überhaupt, nur Steine.
    »Was willst du, sag es gleich. Ich bin müde, und es ist spät.«
    Er ging in die Hocke, schmuste überschwänglich mit Gandhi. »Seit wann hast du den denn, das ist ja ein ganz Lieber.« Gandhi leckte ihm die Nase.
    »Er stand unter Verdacht, seinem Frauchen das Gesicht abgezogen zu haben«, erklärte Carina mit unbewegter Miene.
    »Ihr Rechtsmediziner mit eurem schwarzen Humor«, versuchte er sein Entsetzen zu überspielen, sah sich nach etwas zum Abwischen um, benutzte dann seinen Ärmel. Er stand wieder auf. »Ich wollte Kaffee kochen, hab aber gar kein Geschirr gefunden. Wo hast du denn deine Sachen?«
    Carina antwortete nicht, warf ihre Jacke und die Tasche in die

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