Die Gesichtslosen
wichtig erachten. Was möchten Sie uns und unseren Hörern sagen?»
«Das will ich sagen. An diesem Morgen bin ich zum Agbogbloshie-Markt gegangen. Dann hab ich gehört, daß hinter dem Rasta-Kiosk jemand gestorben ist. Also bin ich auch hingegangen, um zu gucken. Und sehe, es ist wahr, da liegt ja wirklich jemand. Mausetot. Dann denk ich, das Mädchen kennst du doch. Also guck ich noch mal genau hin. Dann seh ich, daß das Fati ist. Ihr Gesicht sieht komisch aus, man kann gar nicht lange hingucken. Ach, wenn ich mir vorstelle, daß selbst ihre Mutter, die sie geboren hat, vielleicht gar nicht mehr erkennen konnte, daß das ihre Tochter ist. Aber ich weiß es. Ich weiß es genau. Das ist Fati. Ach. Wie sie da liegt. Wie ihr Gesicht wie ein Ballon ist, so puff, ach!»
«Puff? Sie meinen, es war aufgedunsen?»
«He?»
«Sie meinen, das Gesicht war aufgedunsen, geschwollen?»
«Ach, was? Was soll das aufgedu… oder was das heißen soll? Wolln Sie mich beleidigen oder was?»
«Aber nein! Erzählen Sie bitte weiter.»
«Okay. Also das hab ich halt gesehen. Das Gesicht, so aufgepufft. Und Blut auch. Jede Menge. Hier und dort. Überall. Ach. Das Gesicht! Ich kann Ihnen sagen, bevor später die Frau kam und sie zugedeckt hat, lag sie da einfach so, nackig. Ohne was zum Anziehen. Ach, lieber Gott! Und die Haare hatten sie ihr alle abrasiert. Die am Kopf, unter den Armen und da unten. Sakora komplett. Und Blut. Von da unten. Sie war ein schlechtes Mädchen, deshalb ist sie auch schlecht gestorben.»
«Aber, wenn Sie doch behaupten, selbst ihre eigene Mutter hätte sie nicht ohne weiteres wiedererkennen können, wie kommt es dann, daß Sie…? Hallo, hallo?»
Aufgelegt. Schweigen.
Sylv Po seufzte. «Er hat aufgelegt, meine sehr verehrten Hörerinnen und Hörer. Ich weiß noch nicht genau, was ich damit anfangen soll, aber ich bin sicher, daß das noch nicht das letzte war, was wir in dieser Angelegenheit gehört haben. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!»
Kabria aß gerade eine Scheibe Brot und war damit beschäftigt, Adade zu beobachten, der, seit er aufgestanden war, alle ihre Fragen entweder mit einem Nicken oder mit einem Kopfschütteln beantwortet hatte.
Dina war gerade damit beschäftigt zu entscheiden, welchen Lippenstift sie heute auftragen sollte.
Aggies Ehemann erklärte gerade seiner Ehefrau, daß der Fleck auf seinem Hemdkragen nicht vom Lippenstift einer anderen Frau stammte.
Vickie untersuchte gerade einen neuen Pickel an ihrem Kinn.
Alle rannten gleichzeitig zu ihren Telefonen, um sich gegenseitig anzurufen. Alle Leitungen waren natürlich besetzt.
Sylv Po, der unmittelbar nach Programmschluß versucht hatte, Dina anzurufen, erreichte sie schließlich gerade noch, bevor sie das Haus verließ.
«Was werden Sie damit anfangen?» wollte er von Dina wissen.
«Darüber bin ich mir noch nicht im klaren. Wir werden das gleich im Büro besprechen.»
«Glauben Sie, Fofo ist in Gefahr?» fragte Sylv Po.
«Ich weiß es nicht. Aber es sieht so aus, als wäre da draußen jemand in Panik. Irgend jemand will unbedingt verhindern, daß das tote Mädchen als Baby T identifiziert wird.»
KAPITEL 14
Die Saat war schon vor längerer Zeit gelegt worden, damals als British Accra eines Morgens von einem fürchterlichen Geschrei geweckt wurde. Aus allen Ecken liefen sie neugierig herbei. Sie fanden eine rasende Frau mit Asche auf dem Haupt, die dabei war, auch ihre Arme und Füße zu beschmieren. Neben ihr war ein junger Mann zu sehen, der versuchte sie zu beruhigen und dafür mit Beleidigungen und Drohungen überhäuft wurde.
Der junge Mann war ihr Sohn Kwei.
Allmählich wurde klar, worum es ging: «Muß es ausgerechnet sie sein? Von all den jungen Mädchen suchst du dir ausgerechnet die Verfluchte aus? Das einzige Mädchen, das von ihrer sterbenden Mutter verflucht wurde? Ausgerechnet der mußt du ein Kind machen?»
Der junge Mann rang verzweifelt die Hände. «Nicht sie wurde verflucht, Mutter!» protestierte er. «Nach allem, was ich gehört habe, hat ihre Mutter Maa Tsurus Vater verflucht und nicht Maa Tsuru selbst.» Damit goß er noch mehr Öl ins Feuer. «Du dummer Junge!» schrie die Frau. «Du weißt gar nichts, du dummer Junge!»
«Ich bin kein dummer Junge. Ich bin 23 Jahre alt.»
Die Mutter zitterte vor Wut. «Halt deinen Mund. Du sagst, du bist ein Mann? Du glaubst, die Welt besser zu verstehen als ich? Ja. Sie hat den Vater des Babys verflucht. Den Vater deiner Geliebten.
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