Die Gesichtslosen
einer Bratpfanne in der einen, einer Schöpfkelle in der anderen Hand. Sie schlug mit der Kelle auf den Boden der Bratpfanne und brachte die wohl unrhythmischsten, lautesten und Trommelfell zerfetzendsten Klänge aller Zeiten hervor.
«Gott bewahre», schrie sie. «Er möge es zu verhindern wissen, daß ich diejenige bin, die dir die Hand meiner Nichte gibt. Das wird der Herr nicht zulassen, nicht um alles in der Welt. Ich will mit euch beiden nichts mehr zu tun haben.» Dabei fuchtelte sie vor Wut mit beiden Händen in der Luft herum.
Kwei gab seine Bemühungen an dieser Stelle auf und versuchte es über den Onkel, mit Hilfe einer Flasche importiertem Schnaps. Er fügte noch etwas Geld hinzu und versprach, in wenigen Tagen wiederzukommen, um die Hochzeitsfeierlichkeiten zu besprechen.
Kwei und Maa Tsurus drittes Kind und erste Tochter, die während Kweis unfeierlicher Abwesenheit geboren worden war, wurde bei ihrer Geburt nicht mit dem Familiennamen von Kwei beehrt. Erst wurde sie nur «Tsurus Baby» genannt, was zu «Baby Tsuru» wurde und sich schließlich in «Baby T» verwandelte.
Es schmerzte die Tante, mit anzusehen, wie Maa Tsuru wieder anfing, für Kwei zu kochen und die Nächte bei ihm zu verbringen. Und Kwei legte nicht den «Keuschheitsgürtel» an. Eines Morgens rief ihn seine Mutter zu sich.
«In den letzten Jahren bin ich zweimal morgens aufgewacht und du warst fort. Diesmal bitte ich dich, zu gehen. Geh! Geh weit fort von hier. Die Zahl ‹Fünf› hat dieser Familie noch nie Glück gebracht. Sie erwartet jetzt dein viertes Kind. Ist dir das schon aufgefallen? Ich werde hier nicht untätig herumsitzen und darauf warten, daß du ihr das fünfte machst. Ich lasse nicht zu, daß du so viel Unheil über unsere Familie bringst. Also geh. Es ist die einzige Möglichkeit, dich von ihr fernzuhalten. Geh fort. Und diesmal bleibe bitte für immer weg. Es ist besser für uns alle.»
Zwei Schwerter des Aberglaubens kreuzten ihre Klingen. Eine verfluchte Frau und die Zahl Fünf. Es wurde Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Er hatte schon genug Schaden angerichtet. Er hatte seine Familie dem Teufel preisgegeben, indem er sein Blut gleich vier Mal mit dem von Maa Tsuru vermischt hatte. Das fünfte Mal würden die Geister der Familie auf den Plan gerufen. Er durfte sie nicht herausfordern, soweit durfte er es nicht kommen lassen. Sonst wären sie alle dem Untergang geweiht gewesen.
Die Saat des Aberglaubens fiel auch aus anderen Gründen auf fruchtbaren Boden. Schließlich entband er von jeglicher Verantwortung. Man konnte alles auf den Fluch schieben. Kwei mußte keineswegs davon überzeugt werden. Von niemandem, auch nicht von sich selbst. Maa Tsuru war einfach zu fruchtbar, und das war ein Fluch. Es war der Fluch, der dazu geführt hatte, daß sie jedes Mal, wenn er sie angefaßt hatte, schwanger geworden war. Fruchtbarkeit konnte selbst in einer Gesellschaft, in der eigentlich Unfruchtbarkeit als der schlimmste Fluch überhaupt galt, ein genauso schlechtes Omen sein. Es war das allerverzwickteste sämtlicher verzwickter Schicksale.
Als der Termin nahte, hatte Maa Tsuru nicht die geringste Idee, wo Kwei sich aufhielt. Sie hatte keine Ahnung, ob er tot oder lebendig war, als sie ihre zweite Tochter gebar, ihr viertes gemeinsames Kind. Kweis Familie verweigerte auch diesem Baby ihren Namen. Man konnte es aber auch nicht wieder «Tsurus Baby» nennen. Auch nicht «Tsurus Baby Nummer 2», selbst wenn das ältere Mädchen inzwischen zu Baby T geworden war. Also gab man ihm den Namen Fofo. Irgend jemand fand, daß sie einer älteren Verwandten mit diesem Namen ähnlich sähe.
Seit ungefähr ihrem zehnten Lebensjahr arbeiteten Fofos ältere Brüder am Strand und auf dem Fischmarkt. Baby T und Fofo halfen im Haushalt anderer Familienmitglieder und bekamen dafür Essensreste und abgelegte Kleider. Kwei war fort, aber seine ehemalige Geliebte und ihre Kinder blieben zusammen. Jeden Abend nach der Arbeit kamen die Jungen nach Hause und übernachteten bei ihrer Mutter und ihren Schwestern. Sie waren arm, aber sie waren zusammen.
KAPITEL 15
Seit sie sich erinnern konnte, wohnte er im Compound der Familie. Er war schon da, als Fofo geboren wurde.
Der Sohn einer der Cousinen Naa Yomos war ein freundlicher Mann.
Der Vorhang vor seiner Tür machte deutlich, daß es ihm besser ging als den meisten im Haus. Er besaß einen gut funktionierenden Farbfernseher und einen großen Kassettenrekorder, einen echten
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