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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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die Sandale fallen, schlüpfte wieder hinein und befahl Baby T, aufzustehen.
    Baby T folgte der Aufforderung langsam.
    Maa Tsuru Blick fiel auf Baby Ts Kleid. Ihr Gesicht verdüsterte sich vor Zorn. Sie riß erneut den Charlie wotee von ihrem Fuß und hieb damit auf ihre Tochter ein. Baby T fiel rücklings auf den Zementboden. Sie rieb sich das schmerzende Kreuz. Tränen strömten über ihr Gesicht.
    «Ich dachte, du hättest deine Menstruation nicht?» schrie Maa Tsuru. «Und was ist das da hinten auf deinem…» Sie hielt inne. Das war kein Blut. Erschrocken über sich selbst warf sie den Charlie wotee wieder auf den Boden und half Baby T, sich zu erheben. Die litt offenbar furchtbare Schmerzen. Maa Tsuru faßte sie um die Taille und legte ihr den Arm um die Schulter. So humpelten sie langsam zurück ins Haus, unter den neugierigen Blicken der anderen Hausbewohner. Maa Tsuru legte Baby T auf ihre Matte und zog ihr die Beine auseinander. Sie rang nach Atem. Sie brachte es nicht fertig, ihre Tochter zu fragen, wer ihr das angetan hatte. Sie hatte Angst, ihre schlimmsten Befürchtungen könnten Wahrheit werden.
    Sie wusch Baby T mit einem warmen Handtuch und weinte dabei leise. Sie vergoß mehr Tränen um sich selbst als um Baby T. Wann hatte er das getan? Und wo?
    Baby T lag reglos da und weinte ebenfalls.
    «Mutter!» rief sie leise und zuckte zusammen.
    Fofo kam mit den Paracetamol-Tabletten herein.
    «Nimm erst einmal die Medizin», drängte Maa Tsuru. Das würde ihr noch einmal Aufschub gewähren, bevor Baby T den Namen Kpakpo aussprechen würde. «Hier, nimm!» Baby T nahm die Tabletten in den Mund und trank ein paar Schluck Wasser aus der Tasse, die ihr die Mutter an die Lippen hielt. Dabei murmelte sie: «Onko.»
    Maa Tsuru begriff nicht sofort. Sanft legte sie Baby Ts Kopf zurück auf das Kissen.
    «Mutter», stammelte Baby T noch einmal. «Es war Onko.»

KAPITEL 16
     
     
     
    Maa Tsuru starrte lange auf die Geldscheine in ihrer Hand. Dann blickte sie Onko ins Gesicht. Der wagte es kaum, den Blick zu erwidern. Schließlich wandte er sich ab. Maa Tsuru seufzte schwer. Soviel Geld hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie in der Hand gehalten. Onko erriet ihre Gedanken und dachte bei sich: «Schmiede das Eisen, solange es heiß ist.»
    «Es geht ja nicht nur ums Geld, Maa Tsuru», flehte er. «Du mußt doch auch daran denken, was mit Kpakpo geschieht. Sein Name wird mit Sicherheit damit in Zusammenhang gebracht. Das versichere ich dir. Er hat damit angefangen. Er hätte sie nicht anfassen dürfen. Er hätte seine Finger von ihr lassen sollen. Dadurch ist sie ja erst neugierig geworden und wollte es richtig probieren. Du kannst die anderen Kinder fragen, die immer zu mir zum Fernsehen kommen. Sie ist mir auf den Schoß gehüpft und hat mich provoziert. Ich habe doch im Traum nicht daran gedacht, daß ich es mal mit ihr machen könnte. Sie hat sich mir aufgedrängt.»
    Mit tränenerstickter Stimme erwiderte Maa Tsuru: «Sie ist noch nicht einmal zwölf. Weißt du das nicht?»
    «Es tut mir leid, Maa Tsuru. Es tut mir aufrichtig leid.» Onko klang wirklich reumütig. «Ich kann auch nicht verstehen, wie das überhaupt passieren konnte. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, daß der Teufel in mich…»
    «Erspar mir deine Worte, Onko!» unterbrach ihn Maa Tsuru mit schneidender Stimme.
    Onko war verblüfft über diesen Tonfall. «Soll das heißen, daß du das Geld nicht annehmen willst?» Er runzelte die Stirn. «Sieh mal! Auch wenn meine Schweißerei gut läuft, könnte ich mit dem Geld, das du gerade in der Hand hältst, was Besseres anfangen. Und ich versichere dir, das ist nicht das letzte Geschenk. Das habe ich dir doch auch schon gesagt, oder?» Maa Tsuru schwieg.
    «Ich bezahle auch ihre Behandlung», fuhr er hastig fort. «Vertrau mir, Maa Tsuru. Das ist die beste Lösung. Erlaube mir, mich großzügig zu zeigen. Vergiß es einfach. Vergiß, was geschehen ist, und erspare uns allen den Ärger.»
    Plötzlich erhob sich Maa Tsuru. Onko blickte enttäuscht, doch gleich darauf verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Maa Tsuru löste ihr Hüfttuch und knotete das Bündel Geldscheine hinein. Sie würdigte Onko keines Blickes mehr. Hätte sie es getan, hätte sie keine Spuren von Scham und Reue mehr auf seinem Gesicht entdecken können.
    Es war jetzt drei Wochen her, daß Onko Baby T zu sich gerufen hatte. Der freundliche, großzügige Onko wollte sie angeblich

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