Die Gesichtslosen
sie.
Ein Verkehrspolizist kam auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
«Probleme?»
Die Antwort wartete er gar nicht erst ab. Er inspizierte die Versicherungsplakette und das Verkehrssicherheitssiegel.
Kabria war verärgert: «Es gibt ja wohl noch schlimmere Autos, die auf dieser Straße verkehren. Und die Straßen, sind die eigentlich autotauglich?» Der Polizist lächelte geduldig. «Bringen Sie alles in Ordnung, bevor Sie ihre Plakette erneuern, Madam», riet er ihr in ruhigem Ton.
«Hier ist alles in Ordnung!» zischte Kabria. «Es gibt nur ein kleines Problem mit dem Vergaser, glaub ich.»
«Glauben Sie», lächelte der Polizist immer noch. «Dann warten Sie einen Moment und starten Sie den Motor neu.»
Kabria nahm den Rat dankbar an. Wenige Minuten später war Creamy wieder lebendig. «Danke», murmelte sie.
Der Polizist verabschiedete sich freundlich und bezog wieder Position.
Wegen Creamys kurzem «Streik» kam Kabria zu spät und traf nur noch Dina im Büro an. Diese hatte Aggie und Vickie bereits ins Leichenschauhaus geschickt. «Aggie kennt jemanden, der möglicherweise Zugang zu Baby Ts Obduktionsbericht hat. Jede zusätzliche Information kann nützlich sein. Wir verdächtigen Poison, aber der Verdacht allein reicht nicht, stimmt’s?»
Kabria nickte. «Ich werde das Gefühl nicht los, daß uns ein winziges Detail noch fehlt.»
«Ich auch», sagte Dina.
«Ich wollte doch auch zum Leichenschauhaus mitgehen», klagte Kabria.
«Das nächste Mal mußt du Creamy eben gut zureden. Und ihn nicht schlagen!» spottete Dina.
Kabria lachte. «Das passiert mir nicht mehr.»
«Wenn nur Maa Tsuru mit uns reden würde!» rief sie plötzlich aus.
«Was hältst du davon, daß Fofo uns begleitet. Ihre Tochter wird sie doch nicht vor der Tür stehen lassen.»
Dina strahlte Kabria an. « Gute Idee! Wir müssen auch Sylv Po mit einbeziehen, wegen der Medienzauberwirkung. Wir sind da mit Harvest FM dran.»
«Stimmt. Aber ohne Vorankündigung mit ihrer Tochter zu kommen ist etwas anderes, als mit Sylv Po aufzukreuzen», hielt Kabria entgegen. «Ich habe einen ganz guten Draht zu Naa Yomo. Ich glaube, ich sollte bei ihr vorbeigehen und sehen, was sich machen läßt.»
«Ich werde mich inzwischen mit Afis Agentur in Verbindung setzen, vielleicht haben die ja ein paar brauchbare Informationen für uns.»
Sylv Po hatte einmal einen Pathologen interviewt, der gestand, daß er während seines Aufbaustudiums in Europa glaubte, sich in der Tür geirrt zu haben, als er dort zum ersten Mal ein Leichenschauhaus betrat. Er war bereits so an die Leichenschauhäuser seiner Heimat gewöhnt, an die beschmutzten Wände, die nackten Körper auf Leichensockeln, den seltsamen Geruch von Tod, den man tagelang nicht mehr loswurde, und an die Angestellten, die beschlossen hatten, daß ihr Job keiner war, den man nüchtern ausüben konnte. Erbärmliche Zustände ausgerechnet in einem Teil der Welt, in dem die Toten geehrt werden und das Schicksal der Lebenden an die Schürzenbänder der Toten geknüpft ist. Wo aber auch der Irrsinn regiert und wo die sterblichen Überreste erst aufgetaut werden, bevor sie bei sorgfältig inszenierten Beerdigungsfeierlichkeiten zur Besichtigung freigegeben werden.
Aggie und Vickie saßen im Vorraum des Leichenschauhauses und kämpften mit den Komplikationen des Todes. Aggies Bekannter, ein Pfleger, saß ihnen gegenüber und hörte seiner Freundin aufmerksam zu. Er machte aus seiner Verwunderung keinen Hehl.
«Ihr seid also den ganzen weiten Weg hierher gekommen, um herauszufinden, wie dieses Straßenmädchen zu Tode gekommen ist?»
«Ja», antwortete Aggie.
«Aber wieso? Hat sich herausgestellt, daß sie mit dem Präsidenten verwandt ist?»
«Nein. Sie steht in Verbindung mit einem unserer Fälle. Können wir eine Kopie des Autopsieberichts haben?»
«Das verstößt gegen die Regeln», grinste er. «Aber ich kann euch mit den wichtigsten Ergebnissen versorgen. Den Gefallen tu ich dir, obwohl du mir vor Jahren das Herz gebrochen hast, Aggie.»
«Mußt du jetzt davon anfangen?» protestierte Aggie schwach.
Er fing an zu lachen, Aggie und Vickie fielen ein.
«Aber mal im Ernst, wer immer dieses tote Straßenmädchen ist, sie hat ziemliches Glück, daß zwei so nette Frauen wie ihr extra wegen ihr hierher kommen. Gott weiß, wieviele Leichen hier jeden Tag seziert werden, bei denen die Todesursache klar auf Mord schließen läßt, für die sich aber nie einer interessiert.»
Er
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