Die Gesichtslosen
zum Einkaufen schicken. Drei Wochen, seit er plötzlich die Tür abgeschlossen, Baby T auf das Bett gestoßen, sie festgehalten, ihr ein Taschentuch in den Mund gestopft und ihr den Slip heruntergerissen hatte. Dreimal hatte er es getan und sie anschließend blutend auf dem Bett liegenlassen. «Sag das bloß niemandem!» hatte er sie anschließend gewarnt. «Ich weiß, was dein neuer Vater Kpakpo mit dir gemacht hat. Fofo hat mir alles erzählt. Deine Mutter liebt ihn. Ich werde alles erzählen, wenn du jemandem etwas sagst.»
Erst drei Wochen! Und schon wagte es Onko wieder, sie mit lüsternem Blick zu fragen: «Na Baby T, wie geht’s dir?» Baby T beachtete ihn nicht, doch er fuhr ungerührt fort. «Ach, was hast du denn? Willst du gar nichts mehr mit mir zu tun haben?»
Maa Tsuru legte gerade Wäsche zusammen, als Baby T verstört hereinkam und ihr davon berichtete.
«Laß ihn links liegen», riet Maa Tsuru.
Baby T rührte sich nicht von der Stelle.
«Ich sag dir doch, du sollst ihn einfach nicht beachten», schimpfte Maa Tsuru und faltete das Tuch in ihrer Hand mit einem Ruck zusammen.
Baby T verließ schweigend den Raum. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Maa Tsuru beendete ihre Arbeit sehr nachdenklich. Am nächsten Tag stattete sie Onko einen Überraschungsbesuch in seiner Werkstatt ab.
«Ich weiß, was hier vorgeht, Onko, und es gefällt mir überhaupt nicht.» Sie sprach mit leiser Stimme, um nicht die Aufmerksamkeit seiner Lehrlinge zu erregen.
«Was geht denn vor?» tat Onko überrascht.
«Seitdem Baby T wieder auf den Beinen ist, grinst du sie an wie ein Lustmolch und starrst ihr hinterher», beschuldigte sie ihn. Onko setzte eine ernste Miene auf und ging einen Schritt auf Maa Tsuru zu. «Ich liebe sie!»
Maa Tsuru verließ die Werkstatt ohne eine weiteres Wort.
Als Onko an diesem Abend von der Arbeit zurückkehrte, hatte sie Baby T bereits fortgeschickt.
Maa Tsuru gefiel der Name dieser Frau von Anfang an nicht. Mama Abidjan? Das ließ doch allzu offensichtlich auf ein einschlägiges Vorleben schließen. Doch Kpakpo versicherte ihr, daß, nun ja, Mama Abidjan schon als Prostituierte an der Elfenbeinküste gearbeitet habe, aber daß sie inzwischen zu einer echten Madam geworden sei und sich reuevoll aus dem Geschäft zurückgezogen habe. Mittlerweile vermittle sie junge Mädchen an Imbißbuden und private Haushalte. Mama Abidjan sei eine Verwandte, erklärte er Maa Tsuru. Sie würde eine gute Stelle für Baby T garantieren. Es läge doch schließlich in Maa Tsurus Sinne, Baby T so weit weg wie möglich von Onko unterzubringen. Mama Abidjan fand Maami Broni, die bereit war, Baby T sofort einzustellen. Maa Tsuru erklärte ihrer Tochter alles, und die packte daraufhin bereitwillig und verstört zugleich ihre Sachen. Maami Broni holte sie ab, und so brach sie auf in ihr neues, unbekanntes Leben.
Nach ein paar Wochen erkundigte sich Maa Tsuru bei Kpapko nach dem Verbleib ihrer Tochter.
«Ich frage Mama Abidjan und sag dir dann Bescheid», versprach er.
Maa Tsuru wiederholte ihr Anliegen drei Tage später.
«Ich habe Mama Abidjan noch nicht angetroffen», behauptete Kpakpo. «Ich versuche es gleich heute noch einmal.»
Maa Tsuru wartete eine weitere Woche. Sie drängte Kpapko nicht länger. Sie wußte zwar nicht, wo Maami Broni wohnte, aber sie kannte Mama Abidjans Adresse und suchte diese eines Morgens überraschend auf. Mama Abidjan zeigte sich nicht erfreut.
«Habe ich dich etwa dazu gezwungen, deine Tochter zu mir zu bringen?» schrie sie Maa Tsuru an und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
Maa Tsuru hämmerte so lange mit den Fäusten gegen die Tür, bis Mama Abidjan wieder öffnete.
«Wenn Sie mir nicht sagen, wo ich meine Tochter finde, gehe ich zur Polizei. Und diesmal ist es mir auch egal, ob Kpakpo mit hineingezogen wird oder nicht.»
Mama Abidjan versuchte, die Fassung zu wahren. Um Maa Tsuru loszuwerden, versprach sie, die Adresse ihrer Tochter herauszufinden. Am nächsten Tag würde sie es ihr mitteilen. Am Abend des gleichen Tages geschah eine Art Wunder. Kpakpo gab Maa Tsuru zum allerersten Mal «Haushaltsgeld».
«Hast du Arbeit gefunden?» wollte sie wissen.
«Sagen wir mal, so etwas Ähnliches.»
Am nächsten Tag wartete Maa Tsuru nervös auf Mama Abidjan. An ihrer Stelle tauchte Maami Broni auf. Sie machte aus ihrer Abneigung gegen Maa Tsurus Neugier keinen Hehl.
Den angebotenen Platz lehnte sie ebenso dankend ab wie ein Glas Wasser.
«Du willst
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