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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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daß wir hier durchgehen können?» fragte er. Eine Frau wusch einen Aluminiumtopf aus und hielt dabei den Kopf verdächtig tief gesenkt.
    «Hier können wir vorbeigehen, aber nicht da drüben.» Fofo zeigte auf die Frau. «Ich kenne das Paßwort nicht. Die Frau wartet auf das Paßwort. Wenn wir es nicht sagen, werden wir am Ende des Korridors angehalten und befragt.»
    «Von denen?» flüsterte Sylv Po.
    «Ja genau, von denen», lachte Fofo.
    Die privat betriebenen Gemeinschaftswaschräume waren mit verrückten Farben bemalt. Öffentliche Toiletten gab es keine. Der Gestank aus den notdürftig ausgehobenen Abflußrinnen ließ keinen Zweifel daran. Ein paar Meter entfernt hockte ein etwa achtjähriger Junge als lebendes Beweisstück über einer Pfütze aus algenverseuchtem Wasser und erleichterte sich ohne jeden Skrupel unter den scharfen Blicken der Vorbeigehenden.
    «Bist du sicher, daß du deine Freundin findest?» wollte Kabria von Fofo wissen.
    «Vielleicht.»
    «Was ist, wenn Poison dich sieht?»
    «Er wird sich nicht blicken lassen, wenn er überhaupt hier ist. Inzwischen sollte er erfahren haben, daß ich in Begleitung bin.»
    Sie kamen an Lebensmittelständen vorbei, Frisörsalons, Schneiderwerkstätten. Vor einem Videocenter, unmißverständlich auf Filme für Erwachsene spezialisiert, prangte stolz ein Schild: «Wir zeigen nur ‹the best› – spare dir den Rest.» Eine Kunstschmiedewerkstatt stellte offensichtlich Tore her. «Wie kommen die denn an ihre Kunden. Hier ist doch weit und breit kein Steinhaus, das ein solches Tor gebrauchen könnte», wunderte sich Sylv Po vernehmbar. Ein Bügelservice brachte Kabria die Erkenntnis, daß das restliche Accra durchaus noch etwas lernen konnte von Sodom und Gomorrha, wenn es um neue und innovative Geschäftsideen ging.
    «Man kann hier tun und lassen, was man will, solange man sich an die Regeln hält», erklärte Fofo plötzlich.
    «Welche könnten das sein?» sagte Sylv Po mit leichtem Spott.
    «Lebe friedlich, kaufe und verkaufe friedlich, stehle friedlich, treibe friedlich Handel, sündige friedlich. Tu nichts, was sie ärgern könnte», rezitierte Fofo.
    «Da haben wir sie wieder, diese ‹sie›», frohlockte Sylv Po.
    Sie waren inzwischen an dem Holzverschlag angekommen, in dem Fofo früher regelmäßig übernachtet hatte. Die Tür stand offen. Fofo ging alleine hinein. Ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen schlief auf einem großen Lumpen. Ein kleines Baby krabbelte auf ihm herum, offensichtlich auf der Suche nach Nahrung oder Zuwendung oder beidem zugleich. Ein ungeleerter Nachttopf stand in einer Ecke. Riesige grüne Fliegen hielten dort gerade ein Picknick ab. Fofos Blick verdüsterte sich, sie berührte das Mädchen am Arm.
    «Ich suche Odarley», erklärte Fofo und beschrieb ihre Freundin.
    Das Mädchen hob unwillig den Arm. «Sie ist hier nachts eingemietet», murmelte sie. «Das weißt du doch wohl selbst, oder?» Dann fiel sie wieder in den Schlaf.
    Sylv Po wunderte sich: «Die schläft hier tief und fest um diese Uhrzeit?»
    «Das ist eine Tagesmieterin. Nachts arbeitet sie!» erläuterte Fofo.
    Maa Tsuru erwartete sie schon. Eilig bat sie sie hinein. Die Kinder und Mütter im Compound starrten ihnen hinterher. Maa Tsuru ging auf ihre Tochter zu und umarmte sie. Fofo machte sich steif. Offensichtlich verletzt wich Maa Tsuru zurück. «Bitte setzen Sie sich», stammelte sie.
    Kabria und Sylv Po setzten sich auf die verfügbaren Stühle. Fofo wartete gar nicht ab, bis ihr ein Platz angeboten wurde. Sie ließ sich am Bettende nieder, möglichst weit entfernt von Maa Tsuru und deren zwei kleinen Söhnen.
    «Naa Yomo hat mit mir bereits alles besprochen», sagte Maa Tsuru. Dann wandte sie sich an Fofo: «Vor diesen beiden fremden Menschen werde ich mein Herz öffnen und dir alles erklären, offen und ehrlich. Am Ende wird dein Herz über mein Verhalten entscheiden, auch wenn du selbst vielleicht die Kraft gehabt hättest, es anders zu machen. Vielleicht wirst du dann nicht mehr erstarren, wenn ich versuche, dich in den Arm zu nehmen. Ich bin doch auch eine Frau, und ich war einsam», gestand Maa Tsuru. «Er hat gesagt, was ich hören wollte. Er hat gesagt: ‹Mit dir möchte ich abends schlafen gehen und am nächsten Morgen will ich wieder mit dir aufwachen.› Kein Mann wollte etwas von mir wissen. Ich war die verfluchte Frau. Doch ob verflucht oder nicht, ich war immer noch eine Frau. Ich fühlte wie jede andere Frau. Ich wünschte mir, von einem

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