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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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diejenigen, die aufgrund ihres schwachen Einkommens bislang dazu verurteilt waren, in diesem Haus zu bleiben, in dem sie immerhin keine Miete zu zahlen brauchten. Sie beobachtete alles mit forschendem Blick, ihre Ohren waren stets auf Empfang geschaltet, und sie teilte aus mit nimmermüder Zunge. Sie gingen beide in Naa Yomos Zimmer und setzten sich auf’s Bett.
    Maa Tsuru folgte sofort der Aufforderung der alten Dame. In Naa Yomos Zimmer setzten sie sich auf das Bett.
    «Tsuru», begann Naa Yomo. «Ich kenne dich seit deiner Geburt. Und doch habe ich heute nicht einfach nach dir gerufen, wie ich es sonst immer tue. Ich habe mich von meinem Stuhl erhoben und bin an deine Tür gekommen. Ich will dir auch sagen, warum. Du hast dich in dein Zimmer eingeschlossen. Du kommst nur heraus, wenn du unbedingt mußt. Du wirst in diesem Haus wie eine Aussätzige behandelt. Wie du das mit deinen beiden kleinen Söhnen schaffst, ist mir ein Rätsel. Und jetzt will ich dir etwas sagen: So kann es nicht weitergehen. Das muß aufhören. Hör mir zu. Heute kam eine Frau zu mir. Sie heißt Kabria. Sie ist von der Organisation, die sich um Fofo kümmert. Sie wollen die ganze Geschichte wissen, die ganze Wahrheit. Sie will wiederkommen mit einem Mann vom Radio. Das sind Leute mit guten Absichten. Deshalb hat sie mich besucht. Sie wollen zusammen mit Fofo kommen. Ich habe ihnen gesagt, daß du ihnen diesmal die Tür öffnen wirst. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?»
    «Ja, Naa Yomo.»
    «Ich will nicht, daß sie mehr als einmal klopfen müssen.»
    «Ja, Naa Yomo.»
    «Gut. Ich werde hier sein, wie immer. Und ich werde alles beobachten.»
    «Ja, Naa Yomo.»

KAPITEL 18
     
     
     
    Sylv Po holte Kabria und Fofo bei MUTE ab. Aufnahmegerät und Mikrofon lagen im schicken, metallic-blauen, klimatisierten VW-Golf.
    «Wow!» rief Kabria anerkennend aus.
    Sylv Po lächelte. «Ich habe gehört, Sie fahren auch einen VW. Einen Käfer.»
    «Aber nicht den neuen, schicken. Einen alten. Ja. Creamy.»
    Sylv Po runzelte die Stirn. «Wie bitte?»
    «Creamy. So heißt mein Käfer.»
    «Ihr Auto hat einen Namen?» Er wollte sich ausschütten vor Lachen. Doch er beherrschte sich gleich, als er merkte, daß Kabria bei diesem Thema gar keinen Spaß verstand.
    «Ich habe gehört, das Haus liegt nicht weit entfernt von Agbogbloshie?» fragte er.
    Kabria nickte.
    «Können wir einen Umweg über Sodom und Gomorrha machen? Ich möchte mir einen Eindruck verschaffen.»
    «Mit dem Auto?» fragte Fofo vom Rücksitz aus belustigt. Daß Sylv Po auch nur in Erwägung zog, es könnte eine richtige Straße durch diese Enklave führen, erschien ihr regelrecht absurd. Sylv Po verstand. «Wollen wir das Auto irgendwo parken und einfach mal durchgehen?» schlug er vor.
    «Werden wir nicht auffallen?» fragte Kabria. «Ich höre immer wieder, daß die hier Fremde auf den ersten Blick erkennen und sofort mißtrauisch werden.»
    «Vielleicht kann ich die Gelegenheit nutzen und nach Odarley suchen», schlug Fofo vor. «Ich gehöre ja zu ihnen, da sind sie vielleicht weniger mißtrauisch.»
    Sylv Po lachte. «Diese ‹die›, wer sind die? Das müssen Accras geheimnisvollsten Phantome sein.»
    Niemand antwortete.
    Sie parkten das Auto und durchquerten den Konkomba-Yams-Markt. Nach allem, was er bisher gehört hatte, war Sylv Po erstaunt über die relative Ruhe und Normalität. «Wo sind denn all die drittklassigen Prostituierten und Drogenhändler und die abgetriebenen Föten?» fragte er.
    Fofo fühlte sich hier zu Hause, das war ihr Terrain. Wie bei einem Feuer, dem plötzlich Sauerstoff zugeführt wird, wurden ihre Lebensgeister neu entfacht. «Dreht euch nicht um! Seht euch nicht um! Sie beobachten uns», warnte sie plötzlich. Sylv Po wurde nervös.
    «Von wo?»
    «Bleiben Sie ruhig!» warf Kabria ein. «Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen.»
    Sie hielten sich vorsichtig hinter Fofo, alle waren sehr angespannt. Es war ruhig. Zu ruhig.
    «Das Leben hier beginnt am Abend und endet im Morgengrauen!» erklärte Fofo. Sie kamen zu einem Platz, wo Frauen und Kinder ihrem gewohnten Tagwerk nachgingen: waschen, kochen und spielen. Sylv Po und Kabria atmeten durch. «Wenn das restliche Accra schläft, erwacht Sodom und Gomorrha und seine echten Bewohner. Jetzt schlafen sie. Doch selbst wenn sie schlafen, bleiben sie auf der Hut. Die Frauen und Kinder da drüben haben uns genau im Auge.»
    Sylv Po blieb an einer Ansammlung von Holzverschlägen stehen. «Bist du sicher,

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