Die Gespenster von Berlin
Geruch bis tief in den Gang, obwohl sie hinter einer Glaswand war. Ein Jahr und drei Monate lang hatte der junge Apotheker Theodor Fontane hier gearbeitet. Weil er einer der beliebtesten Schriftsteller Deutschlands werden sollte, wurde sein sehr kurzes Gastspiel in Bethanien namensgebend für die Apotheke, die so zu musealen Zwecken in der haselbraunen Original-Holzmöblierung erhalten blieb. Zwischen 1848 und 1849 bildete Fontane während seiner Arbeit in der Apotheke zwei bethanische Schwestern pharmazeutisch aus. Dafür erhielt er, wie er notierte, »ein auskömmliches Gehalt, freie Wohnung und Verpflegung«. Die Apotheke selbst beschrieb er als »ein hohes Eckzimmer, das als Apotheke eingerichtet war und besonders um seiner Höhe willen einen wundervollen, halb mittelalterlichen Eindruck machte«. Die Ausbildung der Diakonissinnen verlief problemlos, was denn auch sein selbiges Verdienst war, »und zwar das Verdienst, dass ich selber so wenig wusste. Je weniger man weiß, desto leichter ist es, das, was man zu sagen hat, in Ordnung undÜbersichtlichkeit zu sagen.« Die Erinnerungen an die Zeit in Bethanien hinterließ Fontane in dem autobiografischen Text »Von Zwanzig bis Dreißig«, den er hochbetagt in seiner letzten Lebensphase verfasste. Es sind drei kleine Kapitel von wenigen Seiten. Es ist ein humorvoller, auch selbstironischer Text, der Schilderungen enthält, die seinen Zeitgenossen nicht nur schmeicheln. Es ist kein altersmilder Rückblick, und Fontane wirkt in seinen Erinnerungen frech und jung. Über einen Arzt, mit dem der Junggeselle oft Zeit verbrachte, schrieb er: »Er war nicht interessant.« Über die Oberin von Bethanien, Gräfin Marianne von Rantzau (der Mariannenplatz wurde nach ihr benannt), berichtete er, »sie war von Anfang an sehr krank, starb auch früh«. Und dass Bethanien in seinen Anfangsjahren keinen Platz im Herzen der Berliner Bevölkerung hatte, nahm Fontane durchaus wahr: »Denn die Berliner Bevölkerung wollte von dem ganzen Krankenhause nicht viel wissen«, es herrschte eine »ziemlich widerwillige öffentliche Meinung«. Er konnte nicht ahnen, dass sich an dieser Ablehnung niemals etwas ändern würde, auch 160 Jahre später nicht. Nur der Denkmalschutz, Hausbesetzer und die vagen Hoffnungen auf Investoren hindern die Stadt daran, das ganze Ding abzureißen. Auch Fontane sah das Gebäude kritisch. Es wurde von König Friedrich Wilhelm IV. in den entscheidenden Planungsphasen so stark geprägt und in Charakter und Details bestimmt, dass man ihn auch heute als eigentlichen Autor des Baus nennen muss (so auch der Architekturkritiker Dieter Hoffmann-Axthelm). Fontane nannte sich zwar einen regelrechten »Baumeisterschwärmer« und war doch nicht einverstanden, wenn der Mensch sich dem Bau allzu sehr zu unterwerfen hatte, das nannte er dann »Baumeister-Tyrannei«.Dem jungen Fontane war es verboten gewesen, einen Fensterladen außen an die Apotheke anzubringen, und so musste er dermaßen »Schmoren in der Nachmittagssonne«, dass ihn der erlittene »Architektenhochmut« beim Verfassen der Memoiren immer noch erregte: »... das Verbot eines an einer höchst fragwürdigen Kasernenbau-Front anzubringenden Fensterladens, ist mir doch zuviel gewesen.« Das mag stolzes Geplänkel sein. Aber die ganz große Entdeckung für die Sache der Gespensterforschung in Bethanien ist, dass Fontane in seinen Erinnerungen ebenfalls ein Rätsel um ein Gespenst aufmachte.
Fontanes Geburtstagsgespenst
Es war der Januar 1849, Fontane feierte seinen Geburtstag und lud befreundete Dichter, dazu den besagten uninteressanten Arzt, einen Inspektor und einen Leutnant, zum Abendessen ein. Der Leutnant war ein sehr kranker Patient, aber er fiel durch seinen Charme auf. Fontane war nicht geizig, und er war von süßem Appetit, tischte Datteln, Marzipan und Pfannkuchen auf. Im Samowar brodelte Grog. »Als dieser endlich hergestellt war, war auch das Eis gebrochen, das bis dahin den freien Gang der Unterhaltung gehindert hatte«, erinnerte er, »und so plauderten wir uns denn glücklich über Mitternacht hinaus.« Der kranke Leutnant trank besonders eifrig. »Weil er im Trinken und Sprechen seiner Krankheit ganz vergaß, war ein schließlicher Rückschlag unvermeidlich. Der Kopf fiel ihm nach vorn auf die Brust, die Unterkinnlade klappte weg.« Der Mann konnte nicht mehr selbständig gehen, er musste in sein weit entferntes Krankenzimmer im nördlichen Flügel getragen werden, »der Weg dahin war eine kleine
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