Die Gespenster von Berlin
die Stimme kälter als kalt.
»Was Sie Alchemistenkram nennen, ist teilweise sehr wertvoll und auch sehr teuer.«
Ich sagte, der fanatische Sammler habe viele Geisterbücher in London gekauft, das hätte ich seinen Eintragungen in den Büchern entnommen.
Ja, das bestätigte der Antiquar, der fanatische Sammler wäre hin und wieder nach London gereist und sei »mit großen Koffern voller Bücher zurückgekehrt«.
Der Antiquar wurde ungeduldig. Ich versuchte es mit einer weiteren Methode, der härtesten vielleicht: Menscheln, dem menschlichen Verhaltensspektrum Gesetzmäßigkeiten abtrotzen. Wenn man jemanden in der Familie habe, der sein Geld fanatisch für eine Sache ausgebe, führe das sicher zu mancher Enttäuschung und vielerlei emotionalen und finanziellen Konflikten, seufzte ich, und vielleicht habe die Familie des fanatischen Sammlers ja auch unter seinem Hobby gelitten?
Der Antiquar ging meinem Volkstheater leider nicht auf den Leim und sagte trocken wie Krümelkeks: »Ja, das kann durchaus sein.«
Ich steigerte die Dosis. Mein Mann, sagte ich, habe ja auch Hobbys, und ich würde mich manchmal fragen, warum er dafür so viel Geld ausgeben müsse.
Und da hatte ich ihn! Seine Worte kamen geschossen wie die wütende Lava aus dem sizilianischen Ätna, böse, fauchend, giftig. »Ja sehen Sie, ich habe keine Frau, und ich bin auch froh, dass ich mich nicht vor einer Frau dafür rechtfertigen muss, was ich mit meinem Geld mache.«
»Aber … aber wenn man gemeinsame Kinder hat?«, bat ich ihn stotternd um ein Quantum Einsicht.
Da grummelte er ja ja und erzählte noch, der fanatische Sammler habe auch viel Schrott gesammelt. Aber Bücherseien eine werthaltige Geldanlage, was eben nicht jeder verstehe. Wenn er Geld übrig hätte, dann würde er es auch für wertvolle Bücher ausgeben.
Ich staunte. »Ach ja? Ach so?«
Das Telefonat beendete er mit dem Angebot, mir fünf Prozent Rabatt auf weitere Bestellungen einzuräumen.
Dieses Gespräch hatte mich sehr erschöpft, und ich wusste nun vor allem eines: Dieser Mann hatte ein Problem mit Frauen. Diese sind, glaubt er, zu wahrer Leidenschaft nicht fähig, sie kennen den Wert des Buches nicht. Was ein Witz ist, vor allem, wenn sich diese Haltung in einem Gespräch mit einer Schriftstellerin manifestiert. Wer denn, wenn nicht ich, könnte die Leidenschaft für Bücher mit ihm teilen? Und war er es nicht, der mir die Buchproduktion erschwerte, weil er den kostbaren Rohstoff nicht preisgab? Ein gnadenloser Witz war das. Nun muss man wissen: Büchermenschen sind nicht automatisch gute Menschen. Derlei unerfreuliche Gedanken schob ich beiseite, denn ich musste zunächst diese ominöse »Ufo-Versammlung« ausfindig machen, in der der selige Walter Mitglied gewesen sein soll. Aber »Ufo-Versammlung« hörte sich seltsam an. Ich fand eine »Gesellschaft zur Erforschung des Ufo-Phänomens e.V.«, die seit den 1970er Jahren existierte und sich als kompetenter Partner in Sachen Ufo-Sichtung pries: »Dabei vertreten wir eine offene, aber kritische Haltung gegenüber dem Ufo-Phänomen und grenzen uns sowohl gegen dogmatisch-skeptische Gruppen als auch gegen unkritische Ufo-Sekten ab«, heißt es auf der Webseite. Auf der auch stand, dass die Gesellschaft einhundert Mitglieder hat. Vielleicht konnte ich von diesen Leuten etwas über das vermeintliche Mitglied Walter erfahren? Es gab sogareine Telefonnummer, die sollte man anwählen, wenn man ein Ufo sichtete. Ich versuchte es mehrfach, doch niemand nahm ab. Auf der Mailbox meldete eine eindringlich monotone Frauenstimme: »Hier ist die Gesellschaft zur Erforschung des Ufo-Phänomens ...«, und man konnte erfahren, dass das Büro nur unregelmäßig besetzt ist, man solle es abends probieren. Ich bestellte per Mail die aktuelle Ausgabe des Ufo-Magazins »Jufof« und übte mich in Geduld. Irgendwann würde mir ein Ufoist über den Weg laufen und den würde ich unvermittelt fragen: Walter – kennen Sie den, was war das für ein Mensch? Welche Ufo-Position hat er vertreten? Was wissen Sie über seine Büchersammlung und den Stellenwert der Bücher in seinem Leben? Warum starb er, und haben Ufos etwas mit seinem Tod zu tun? Doch das war Zukunftsmusik. Zunächst überlegte ich mir einen neuen Dreh, um den verkniffenen Antiquar doch noch zum Reden zu bringen. Ich müsste jemanden finden, der dem Antiquar ein paar Konvolute abkauft – um dann eine kleine Provision in Form von Dankbarkeit, Leutseligkeit und Gesprächigkeit zu
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