Die Gespenster von Berlin
Büchern entnommen hatte, mit einem Bleistift und in einer wirklich hübschen Handschrift hatte er ihn in einige Bände geschrieben. In »The Poltergeist Phenomenon« hatte er auch notiert, wo und wann er das Buch gekauft hat: London, Sept. 1st, 1997 . Er hieß mit Vornamen Walter ohne h, und Google wusste auch nichts über ihn. Ich staunte und wunderte mich sehr über die Vitalität der Geisterlegenden und -wissenschaften im englischen und amerikanischen Raum, aber ich merkte schnell, dass ich mich weniger für die Bücher als für den geheimnisvollen Sammler interessierte. Dieser unbekannte tote Mann machte mich schrecklich neugierig. Dabei gab es doch nur einen Karton bizarrer Geisterbücher. Es gibt einen Toten, ein Geheimnis, einige geisterhafte Artefakte, und es gibt Neugier. Man mag es grässlich finden, mich für krankhaft neugierig halten, aber mich beschäftigte vor allem eine Frage: Warum nur war der Antiquar so unkooperativ und wollte mir nicht mehr über den fanatischen Sammler verraten? Abgesehen davon, dass Männern die Neigung zum Plaudern fehlt. Ich rief ihn also an. Vielleicht war er dieses Mal besser gelaunt.
Ich sagte, wer ich war und was ich von ihm gekauft hätte, das Konvolut mit den Geisterbüchern nämlich. Der Antiquar meinte, er erinnere sich.
Ich stammelte, dass mich die Identität des fanatischen Sammlers nicht interessiere, ich aber gerne mehr über ihn erfahren wolle, da ich im Begriff sei, eine Geschichte über das seltsame Buchpaket zu schreiben.
Der Antiquar sagte, er verstünde diesen Unterschied, der mir allerdings in diesem Moment selbst nicht ganz klar war.
Denn was wollte ich eigentlich? Die Geschichte des Mannes und seiner zerstrittenen Familie hören, die Umstände seines Todes erfahren und alles über seine Art zu leben wissen? Was war er von Beruf, woher kam seine Sammelleidenschaft – war es eine Bibliophilie oder eine Bibliomanie? Das alles und noch viel mehr. Ich wollte die Geschichte, nicht die Adresse, ich wollte in die Legende eintauchen. Aber das durfte ich nicht so direkt sagen.
Ich fragte, ob der fanatische Sammler die Bücher auch alle gelesen hätte? Vermutlich ja, meinte der Antiquar. Dann sagte er mit eiskalter Genüsslichkeit: Jedem anderen hätte er erzählt, was er über den Sammler weiß, »nur Ihnen nicht, weil Sie darüber schreiben«. Genau so sagte er es mir – jedem anderen Menschen hätte er es erzählt – »nur Ihnen nicht«. Dann sagte er noch etwas ganz Schreckliches: »Sie müssen mit der Phantasie arbeiten.« Die Phantasie aber, und das wussten wir beide, war in diesem Fall die schlechteste Option. Die Arschkarte. Dieser Antiquar war perfide. Wahrscheinlich machte es ihm Spaß, mich zappeln und betteln zu lassen und meine gestammelten Bemühungen und durchschaubaren rednerischen Tricks zu durchkreuzen. Ich versuchte, das Gespräch in Gang zu halten. Vielleicht rutschte ihm ja beiläufig etwas heraus.
Ich nannte den Namen des Verstorbenen, da ich ihn ja nun aus den Büchern kannte, und fragte, ob es sich bei diesem Walter Soundso um den Besitzer dieser Bücher handelte. Der Antiquar schwieg laut, und der Name des Besitzers war definitiv geklärt.
Ich fragte, wie viele Bücher zu den Themen Tod, Geister und Gespenster er noch vorrätig hätte.
Zu »Hexen und Dämonen« und zu »Parapsychologie« gebe es noch Konvolute, sagte er, aber sein Computer sei ausgeschaltet und ich möge doch selbst im Internet recherchieren.
Ich fragte, ob der Sammler chronisch krank gewesen sei, weil er sich so viel mit Geistern und Jenseits und Leben nach dem Tod beschäftigt habe.
Der Antiquar sagte, der Sammler sei an allen möglichen Themen interessiert gewesen. Bei einer Bibliothek mit 15 000 Bänden sei das nur ein ganz winziger Aspekt gewesen.
Aber glaubte der fanatische Sammler denn an das Leben nach dem Tod?, fragte ich trotzig.
Der Antiquar überlegte, sagte weder ja noch nein. Aber dann diese Information: Der Sammler sei »Mitglied in einer Ufo-Versammlung gewesen«. Jetzt war ich natürlich noch heißer auf Informationen. Er selbst, sagte er noch, habe den Mann zu seinen Lebzeiten nicht kennen gelernt, ihm wären die Geschichten auch nur zugetragen worden, als er große Teile der Bibliothek von der Familie ankaufte. Da waren auch schon viele wertvolle Bücher an andere Händler gegangen. Alte spiritistische Bücher zum Beispiel, das Thema hätte den Sammler sehr interessiert.
»Alchemistenkram?«, fragte ich.
Da wurde der Antiquar total sauer,
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