Die Gespenster von Berlin
erst mal an Gespenster glauben. Aber die Leute glauben an nichts mehr. Nur noch an Mercedes, DaimlerChrysler, Porsche, Audi.
GRin Das stimmt doch gar nicht. Ich habe einige Fälle gefunden, wo Leuten noch richtig Angst vor Gespenstern hatten, besonders in Mitte. Manche zogen vor lauter Angst sogar aus ihren Wohnungen aus. Aber es gibt auch Berliner, die arrangieren sich mit ihren Hausgespenstern. Vielleicht findest du eines Tageseine nette Familie, bei der du gerne leben magst. Dann müsstest du keine Autos mehr anzünden. Könntest du dir das vorstellen?
G Sic transit gloria mundi.
Das siebte Buch Mosis
In Klausdorf gibt es Wasser und Wald, da werden die Leute alt.
Da lebt auch Frau Erika, gestandene Hausfrau, Mutter zweier erwachsener Töchter, sie hat immer gearbeitet, in vielen Bereichen. Ihre ältere Tochter ist Krankenschwester in der Charité und durch einen Tick Zeit, eine Prise Zufall und einen winzigen Schluck Sabbelwasser kam ans Licht, dass ihre Mutter Erika Geistergeschichten erzählen kann. Sie selbst habe sich nachts nicht mehr zur Toilette getraut, wenn sie an die Geschichten ihrer Mutter dachte. Hauptsache, es kommen keine Schatten. So geschieht, was geschehen muss: Frau Erika aus Klausdorf bei Zossen, die angeblich Geistergeschichten erzählen kann, fünfundfünfzig Jahre alt ist und ein rosiges Gesicht fast ohne Falten hat, empfängt die Städterin, holt sie sogar an der Haltestelle für den Überlandbus ab. Der Flieder blüht seit wenigen Tagen, es hat die ganze Nacht geregnet, der Wind weht über den Mellensee, ein Hund bellt. Frau Erika zeigt ihren Blumengarten und das Gemüsebeet. Sie besitzt ein Blumenhaus, in dem die Kübelpflanzen überwintern können, und einen Verschlag, da leben zwei Stallhasen in zwei Käfigen neben vielen leeren Käfigen, die kommen Dezember in den Ofen. Zu DDR-Zeiten hatte sie mehr Hasen, da waren alle Käfige voll, es gab 25 Mark pro Hase, wenn der Laster kam, um sie zu holen, damals viel. Sie hat Suppe vorbereitet, mit Bohnen, Spargel, Kartoffeln und Schweinefleisch, das riecht so gut im Haus, es ist so kalt an diesem Vormittag, man möchte gleich zu Tisch. Doch Geduld. Gegessen wird um zwölf. Sie erklärt, wie das Leben hier verläuft: Um sieben Frühstück, um zwölf Mittag, um drei Kaffee, um sechs Abendessen. An diesem Tag will sie bis zwölf Uhr mittags alles erzählt haben, was sie über Gespenster weiß.
Sie kam von Rügen, ist als junge Frau mit dem Mann nach Klausdorf gezogen, wegen der Arbeit. Sie meinten, das wäre Klausdorf bei Stralsund, und irrten sich. Doch bei Berlin ist das Leben auch schön geworden, wenn es auch oftmals hart war. Zuerst will sie berichten, was sie zuhause auf Rügen erlebt hat.
Ich habe acht Geschwister. Im Winter 1966 hatten wir kein Fernsehen.
Die Oma war im Krankenhaus, ihr wurden die Füße abgenommen, Diabetes.
Sie hatte einen Gehstock, als sie noch gehen konnte, aber damit war es nun vorbei. Der Gehstock machte immer so ein Geräusch auf dem Boden, wie Klopfen. Wir saßen abends zusammen. Da klopfte es an der Bodentür. Einmal kräftig. Meine Mutter sagt: Carl, geh mal gucken!
Carl guckt, kommt zurück und sagt: Mama, da ist niemand.
Da klopft es wieder, ganz laut.
Bleib sitzen, Carl, sagt die Mutter, eure Oma verabschiedet sich.
Es klopfte noch mal, laut. Dann Ruhe. Eine halbe Stunde später kam der Anruf vom Krankenhaus, die Oma sei gestorben.
Noch eine Geschichte von Rügen.
Es gibt gute und schlechte Menschen, das wissen Sie ja.
Und das ist eine Geschichte von einem bösen Mann,wenn der keine Menschen zum Quälen kriegte, dann nahm er die Schweine. Wenn er keinen Menschen unter sich hatte, ging er nachts in den Stall und hat die großen Schweine mit den Händen getötet. Aber wenn er doch mal Menschen nahm, dann konnte er die so weit runterdrücken, dass sie bald elend waren und sterben mussten. Mein Bruder war Schweißer und kam alle vierzehn Tage von der Montage nach Hause. Immer wenn er kam, war seine Kehle wie zugeschnürt, als erwürge ihn jemand, er konnte kaum sprechen, essen oder trinken. Mit seinen Füßen lief er wie auf Nadeln, er wurde schwach und mochte nicht mehr gehen. Das wäre nicht mehr lange gut gegangen. Also musste er herausfinden, wer ihm Böses wollte. Er ging zu einer Frau aus Buschvitz zum Besprechen. Die konnte Gürtelrose und Warze besprechen, ja und mehr. Die Frau hat ihm gesagt: Wenn du über sieben Kreuzungen gehst, dann ist es weg. Das stimmte. Als er zurück zur Montage
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