Die Gespenster von Berlin
Die Berliner Verbindung für Paranormales untersucht verschiedene paranormale Vorkommnisse in Berlin und Umgebung. Unser Hauptanliegen ist es, eine naturwissenschaftliche Erklärung unter Zuhilfenahme von diversen Mess- und Aufzeichnungsgeräten zu finden. (...) An wen haben Sie sich gewandt, um die Erlaubnis zu bekommen, eine Nacht in diesem Gebäude zu verbringen?«
Hätten diese Leute meine Geschichte einigermaßen aufmerksam gelesen, hätten sich die Fragen von allein erledigt.
Meine Geschichte über Bethanien hat sicher am meisten Aufmerksamkeit erzeugt, und man kann davon ausgehen, dass sich daran nicht so schnell etwas ändern wird. Vor Halloween häufen sich die Anfragen von Journalisten, die mit mir durch das Gebäude gehen möchten oder ein Interview haben wollen. Ich mache das gerne, schließlich ist mir an der Verbreitung des Buches und insbesondere dieser Geschichte gelegen. Auch bin ich nach wie vor überzeugt: In Bethanien spukt es, wenn es irgendwo in der Welt spukt, dann dort. Aber sollte der Tag kommen, an dem die Halloween-Reporter und die Ghosthunter-Gruppen lästiger werden als die Geister unglücklicher Patienten aus längst vergangener Zeit – Patienten die durch Wände gehen, hellauf schluchzen, Blumenvasen zum Zerspringenbringen und die internationalen Gäste wecken und erschrecken –, dann täte mir das leid. Ich will mich bei den (lebenden wie toten) Betroffenen für den Flurschaden gern entschuldigen, wenn ich auch nichts von meiner Geschichte zurücknehmen kann.
Ich komme nun zu der Zuschrift, die das Haus der Bundeskanzlerin betrifft. Eine Frau, nennen wir sie Vera, berichtete mir von einem Spuk, der sich im Wohnhaus von Angela Merkel zugetragen haben soll, Am Kupfergraben 6. Vera arbeitete damals in einer Galerie, die indigene Kunst verkaufte und im Souterrain des Hauses lag. Es war im Spätherbst 1997, Frau Merkel war Umweltministerin unter Helmut Kohl. Der Gebäudekomplex Am Kupfergraben 6 und 6 a, war kurz vorher vom Architektenbüro Rüthnick & Partner außen restauriert und innen grundsaniert worden. Die Galerie im Souterrain handelte hauptsächlich mit Original-Skulpturen der Nordkanadischen Inuit. Die prominente Nachbarin Merkel war für die Galeristen nur von Vorteil, denn, schrieb Vera, so »musste man sich um den Schutz der wertvollen Skulpturen keine Sorgen machen, das Haus war stets von Polizisten bewacht.« Der Inhaber der Galerie bezog in dem Haus eine Maisonette-Wohnung. Vera schrieb: »Er hatte eine große Standuhr, ein Erbstück, die er vor dem Einzug in sein neues Domizil vom Fachmann reparieren ließ. Das gute Stück blieb in dieser Wohnung des öfteren in der Nacht zwischen 1.30 und 2.00 Uhr einfach stehen. Wir hatten in der Anfangsphase bis in die Nacht hinein gearbeitet und oft entbrannte, ohne ersichtlichen Grund, ein Streit zwischen uns. Genau zu dieser Zeit. Als ich einmal allein in der Wohnung übernachten wollte, fühlte ich mich so unwohl, dass ich in das im Souterrain liegende Geschäft flüchtete, um endlichSchlaf zu finden. Einmal gab es nachts auch ganz deutlich spürbare energetische Angriffe, am stärksten in der oberen Etage der Wohnung. Meine Katze, die ich mitgebracht hatte, erkrankte schwer, und wurde sofort nach dem Umzug in meine eigene Wohnung wieder putzmunter. Damals hatte ich mit dem Geschäft viel um die Ohren, also kaum Gelegenheit, in der Nachbarschaft nachzufragen, geschweige denn Archive zu durchforsten.«
Ich kann nicht behaupten, dass mir bei dieser Schilderung die Haare zu Berge standen, aber doch kommen hier klassische Motive der Gespensterliteratur zusammen: die Geisterstunde, die stehengebliebene Uhr, der Wechsel der Stimmung – ein plötzlicher Ausbruch von Streitlust – und eine besonders sensible Katze. Schon die kanadische Autorin Margaret Atwood schrieb in ihrem Aufsatz »Negotiating with the Dead«, man müsse bei der Gespensterjagd (als synonym fürs Erzählen) immer auf die Uhren achten: »Und sobald es um Zeit geht, geht es auch um den Tod und die Toten, denn die Zeit läuft bekanntlich immer weiter, und dann läuft sie ab, und die Toten stehen außerhalb der Zeit, während die Lebenden noch immer in ihr verkapselt sind.« Zugegeben, dass der Spuk im Haus der Bundeskanzlerin stattfand, übte den stärksten Reiz auf mich aus. Ich antwortete Vera, wollte mehr wissen, und so entwickelte sich eine überraschend nette Korrespondenz, die von schlauen Krähen, verfluchten Apotheken und der Entwicklung des Stadtteils
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