Die Gespenstergruft
der Kollegen und des Chefredakteurs zu verarbeiten. Das Bild und die Story waren der Hammer gewesen, und beides war zum richtigen Zeitpunkt erschienen, denn über extreme Vereinigungen und Gruppen wurde immer wieder berichtet, aber nie konkret, denn selbst gewiefte Reporter kamen an die Gruppen nicht heran. Es war zudem noch keinem gelungen, sich einzuschmuggeln.
Jetzt aber hatte Harry sogar das Foto geschossen.
Einfach super.
Er war die gesamte Nacht über in der Redaktion geblieben und hatte seinem Spitznamen Kugelblitz alle Ehre gemacht, denn er war überall zu finden gewesen und nie an einem Platz geblieben. Wie ein Irrwisch war er durch die Redaktionsräume gelaufen, hatte mit einem Kollegen die Story gebastelt und seine eigenen Erlebnisse groß herausgestellt, ohne das allerdings übertreiben zu müssen. Wie er den Satanisten entwischt war, das war schon filmreif gewesen.
Literweise hatte er den Kaffee in sich hineingeschüttet. Zuviel dabei gequalmt, was er am anderen Tag wieder ausgleichen wollte. Wichtig war einzig und allein die Geschichte.
Und die saß!
Schließlich konnte er nichts mehr ändern, berichtigen oder noch Zeit herausschinden. Die Zeitung ging in Druck, die Rotationsmaschinen liefen an, und Harry besorgte sich nur noch eines der ersten Exemplare, bevor er nach Hause fuhr, das Telefon abstellte und sich todmüde in sein ungemachtes Bett warf.
Er schlief wie ein Bär im Winter. Fiel förmlich in das große Loch hinein und hatte das Gefühl, als wäre er für eine Ewigkeit versunken. Das stimmte nicht. Irgendwann wachte er auf, fühlte sich noch immer wie durchgedreht, und in seinem Mund hatte er einen Geschmack, für den er keinen Begriff fand.
Als hätte er auf alten Socken gekaut, die seit Wochen nicht mehr gewaschen worden waren. Müde rollte er sich aus dem Bett, torkelte in Richtung Bad und ließ Wasser über seinen Kopf laufen. Der dumpfe Druck verschwand nicht, sogar die Müdigkeit blieb noch, und er dachte darüber nach, daß er in der letzten Nacht keinen Alkohol getrunken hatte. Dennoch fühlte er sich kaputt.
Harry Heister legte sich noch einmal hin. Er lag kaum, da sackte er wieder weg und wurde wach, als der Mittag bereits in den Nachmittag überging.
Es war hell!
Harry stand auf. Diesmal fühlte er sich besser. Er tappte zum Fenster und zog die Vorhänge auf.
Sein Gesicht verzog sich, als er nach draußen schaute. Die Luft dort war einfach widerlich. Eine Sonne konnte er nicht sehen. Sie hatte sich hinter der dicken Wolkendecke versteckt.
Das war keine Luft mehr, sondern ein Zustand. Kein Windhauch, die Schwüle ließ so etwas nicht zu. Sie war einfach widerlich und lagerte sich wie etwas Fremdes ab, das den Lebewesen feindlich gesonnen war.
Nichts für Menschen, die an Herz- oder Kreislaufschwäche litten. Dort draußen herumzulaufen, glich einer Tortur. Trotz der schlechten Luft schloß er das Fenster nicht. Der Mief in seiner Schlafbude war auch nicht besser. Das Telefon ließ er abgestellt. Er horchte auch nicht in den Anrufbeantworter hinein, Harry wollte einfach in Ruhe gelassen werden.
Im Bad hockte er sich auf den schmalen Wannenrand und dachte über seinen letzten Job nach.
Das war schon haarig gewesen, aber nichts Neues für ihn. Harry Heister setzte sich immer mehr als hundertprozentig ein, wenn er an einem Fall arbeitete. Danach allerdings brauchte er zunächst einmal eine längere Pause, da mußte sich der Akku wieder aufladen. Das gestand man ihm auch zu, denn während der Aufladephase überlegte er sich bereits, welchen neuen Fall er angehen wollte.
Er nahm eine Dusche, und allmählich fing sein Gehirn wieder an zu arbeiten. Er überlegte, er dachte nach, er ließ sich einige Dinge durch den Kopf gehen und hatte plötzlich das Gefühl, als hätte sich das warme Wasser von allein in Eiskörner verwandelt, die gegen seine Haut schlugen.
Harry dachte über den Grund dieses Gefühls nach und brachte ihn mit einer bestimmten Tatsache in Zusammenhang. Es hing mit den Fotos zusammen. Er hatte sie geschossen, und sie waren veröffentlicht worden. Tausende würden nach der Zeitung greifen und die Story lesen und sich natürlich auch mit dem großen Foto beschäftigen, auf dem die drei Satanisten zu sehen waren.
Zwar nicht so deutlich wie auf einem Porträtfoto, aber Gesichter waren schon zu erkennen. Und sicherlich würde es einige Leute geben, die sich an die Satanisten erinnerten.
Harry Heister hatte sie praktisch aus der dunklen Tiefe ans Tageslicht
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