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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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auf einem Feldweg mit seinem Wagen herumkurven lassen.
    »Nein danke, liebe Lilly. Ich bevorzuge es, unversehrt zu Hause anzukommen«, lehnte Spindler ihr Angebot ab und zwinkerte uns zu. Sein schelmisches Grinsen beruhigte mich, und für einen kurzen Wimpernschlag schienen die schrecklichen Ereignisse von gerade eben zurückzuweichen, auch wenn sie längst noch nicht verblasst waren.
    Kurz nachdem sich Spindler verabschiedet hatte und davongefahren war, legte sich der erstickende Schleier der Bedrückung erneut über uns, weil Lilly aussprach, was Tatsache war: »Nun habt ihr immer noch nicht den Ring gefunden«, sagte sie, und die lähmende Angst kroch mir wieder in die Knochen.
    »Udo weiß jetzt, dass ich nicht tot bin«, gab ich zu bedenken. »Deswegen wird er nach mir suchen, sobald er sich von dem Schlag erholt hat, den ich ihm mit der Karaffe verpasst habe.« Noch während ich sprach, kam mir ein neuer, schrecklicher Verdacht.
    »Udo ist über Herrn Spindler informiert«, fiel mir ein. »Ich habe ihm gedroht, sein ehemaliger Lehrer würde im Auto auf mich warten und die Polizei holen.« Schlagartig wurde mir klar, in welche Gefahr ich den alten Mann damit gebracht hatte, und hätte mich ohrfeigen können.
    »Spindler wird ihn nicht ins Haus lassen«, wandte Lilly ein, aber ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln.
    »Er hat einen Revolver, hast du das schon vergessen? Und keine Skrupel, jemanden damit zu töten, egal ob Mensch oder Tier!«
    »Und auf diese Zauberdinge könnt ihr auch nicht mehr hoffen, die haben den Geist aufgegeben«, bemerkte Lilly.
    »Wir müssen sie sofort anrufen, sobald er zu Hause angekommen ist!«, drängte ich.
    »Ich übernehme das, ich habe seine Nummer von heute Morgen noch im Handy«, bot Lilly an.
    Ich nickte, aber insgeheim hatte ich schreckliche Angst, es könnte schon zu spät sein. Udo wollte mich um jeden Preis finden und zum Schweigen bringen. Dabei schreckte er auch vor einem kaltblütigen Mord nicht zurück, das hatte er bereits bewiesen. Hätte der Rabe ihn nicht angegriffen, dann wäre ich jetzt tot, und er hätte eine feine Ausrede wegen meines Einbruchs und der Strickmaske gehabt. Bei der Erinnerung an den blutenden Jonathan fing ich erneut zu zittern an. Wir mussten Laurins Ring finden. Erst dann würde dieser Alptraum ein Ende haben.

[home]
    Kapitel 18
    E in kaum wahrnehmbares Kratzen schreckte Laurin aus einem unruhigen Schlummer der Erschöpfung, in den er gefallen war. Nachdem er und sein Getreuer Thoralf vergeblich versucht hatten, die massiven Eisentore aufzustemmen, hatten sie sich schließlich entkräftet und resigniert in eine Ecke gekauert.
    Einen Augenblick lang wusste der Zwergenkönig nicht, wo er sich befand. Säuerlicher Gärgeruch lag in der Luft, und es war kühl, so dass er sich zuerst in seinem steinernen Felsenreich wähnte. Doch dann verflüchtigten sich die Schemen der Benommenheit, und die Erinnerung, wo er sich befand und wie er dorthin geraten war, kam zurück. Ächzend richtete sich der Herrscher der Zwerge auf. Er fühlte sich seltsam kraftlos und matt. Zwar könnte es immer noch an dem Gift liegen, das Similde ihm und seinem Volk heimtückisch verabreicht hatte, aber eine Ahnung sagte Laurin, dass es vielmehr die Menschenwelt war, die an seinen Kräften zehrte.
    Seit er aus den Bergen gekommen war, hatte er das Gefühl, seine Kraft würde kontinuierlich schwinden. Und das Eingesperrtsein in diesem Keller machte es nicht besser. Er hatte nicht einmal mehr vermocht, die Tür aufzustemmen, etwas, das früher ein Leichtes für ihn gewesen wäre.
    Da hörte er erneut ein Schaben, leise und verstohlen, als kratze eine Tintenfeder über Pergament. Laurin lauschte. Das Geräusch kam von einer Stelle direkt vor seinen Füßen! Der Zwergenkönig beugte sich hinunter und blinzelte, wobei er zu erkennen versuchte, was dieses Kratzen verursachte. Durch eine schmale Luke fiel ein Streifen milchiges Licht in den Raum. Es musste inzwischen Tag sein. Im graugelben Dämmerlicht erblickte Laurin den Skarabäus. Der Käfer war aus seiner Erstarrung erwacht und hatte wieder begonnen, über den Plan mit den vielen Quadraten und Strichen zu krabbeln, die die Straßen und Wege dieser Stadt abbildeten. Das konnte nur eins bedeuten: Sein Späher hatte Similde wiedergefunden! Ihr rotgoldenes Haar war immer noch um den Käfer gebunden, und nun hatte er offenbar eine Spur von ihr entdeckt.
    Erneut erwachte das Jagdfieber im Zwergenkönig, und er fühlte neue

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