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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nächstes mit ihm geschehen würde. Aus den Augenwinkeln sah er, wie etwas auf seinen Nacken und die Handgelenke niederfuhr.
    »Neeiiin!«, schrie er.

Neunzehn
    Jonas hörte, wie zu beiden Seiten seines Kopfes Holz auf Holz schlug, doch nichts berührte ihn.
    Die Hände, die ihn festgehalten hatten, ließen los. Mit nach vorn gebeugten Schultern kniete Jonas da und wartete auf den Schmerz.
    Doch er kam nicht. Und auch sonst geschah nichts.
    Als er ganz sachte den Kopf zu heben wagte, schlug sein Hinterkopf gegen Holz. Doch es war nur ein kleiner Schlag, nichts Schmerzhaftes.
    Vorsichtig drehte Jonas den Kopf von einer Seite zur anderen. Er war, genau wie seine Hände, in einem Holzgestell eingeklemmt. Was er gesehen hatte, war das obere Brett, das auf das untere herabgelassen worden war.
    Und nun konnte er zuschauen, wie John King auf einer Seite des Gestells ein Schloss anbrachte, das alles zusammen- und ihn an Ort und Stelle hielt.
    Ah ja, dachte Jonas. Jetzt weiß ich, was ein Pranger ist. Ich habe sogar schon einmal in einem dringesteckt.
    Vor ein paar Jahren   – in Jonas’ wirklichem Leben im einundzwanzigsten Jahrhundert   – hatte seine Familieeinen Ausflug in den historischen Teil der Stadt Williamsburg gemacht. Während der Touristenführer nicht müde wurde, über altmodische Strafmethoden zu schwadronieren, hatte Jonas mit dem hölzernen Pranger seine Scherze getrieben. Er hatte nur den Namen der Apparatur vergessen.
    Wenn sogar Touristen sie ausprobieren dürfen, dann fügen Pranger Menschen wohl keine echten Schmerzen zu, überlegte er. Also was soll das dann?
    »Sehet die Schande dieses Knaben«, erklärte Hudson feierlich. »Sehet seine Schande und gelobt, auf einem bessern Pfad zu wandeln.«
    Schande?, dachte Jonas. Darum geht es? Mehr hast du nicht zu bieten?
    Andererseits   … war es
wirklich
demütigend, von der ganzen Mannschaft angestarrt zu werden. Er sah Staffe in die Augen. Der Blick des Mannes war voller Enttäuschung. Noch kurz zuvor hatte er so gut von Jonas gedacht, dass er angedeutet hatte, dieser sollte das Schiff befehligen. Und nun sah Staffe ihn an, als wäre er ein Krimineller.
    Ich kann es erklären, wollte Jonas ihm sagen. Es ist nicht so, wie Sie denken!
    Nur dass Jonas nichts erklären konnte. Nicht ohne Zeitreisen und seine unsichtbare Schwester erwähnen oder zugeben zu müssen, dass er nur so tat, als wäre er John Hudson. Und bei solchen Erklärungen würde Staffe ihn schlicht und einfach für verrückt halten.
    Staffe wandte Jonas den Rücken zu.
    Dann drehte sich auch der Mann um, der in der Schaluppe den Kompass gehalten hatte. Hieß er nicht Wydowse?
    Schließlich taten auch andere Mitglieder der Schiffsbesatzung das Gleiche. Ein ausgezehrter, knochendürrer Mann nach dem anderen weigerte sich, in Jonas’ Richtung zu sehen.
    Jonas fing an zu zittern.
    Als würden sie sagen, dass ich für sie Luft bin, dachte er. Als ob ich es nicht wert wäre, angesehen zu werden.
    Jonas wandte den Kopf ab, weil er nicht mit ansehen wollte, wie all diese Leute ihn ablehnten. Allerdings hatte er vergessen, dass er sich damit Hudson, Prickett und King zuwandte.
    Sie waren die Letzten, die er in diesem Moment sehen wollte.
    Doch er hatte auch seinen Stolz. Trotzig hielt er den Kopf oben und wandte ihn nicht unverzüglich wieder ab. Er würde den drei Männern keinen weiteren Anlass geben, sich an seiner Schande zu freuen.
    Dann fiel ihm auf, dass keiner der drei den Eindruck machte, als würde er sich freuen.
    Sie sahen eher   … wütend aus.
    Hudson machte Anstalten, den Mund aufzureißen, als wollte er die ganze Mannschaft anbrüllen. Aber Prickett legte ihm warnend die Hand auf den Arm.
    »Nicht«, sagte er leise. Wahrscheinlich standen nurHudson und Jonas nahe genug bei ihm, um zu hören, was er sagte. »Lasst ab. Manchmal ist Schweigen das eindrucksvollste Zeichen der Macht. Sollen sie sich den Kopf darüber zerbrechen, wann
sie
die Strafe ereilen mag.«
    Was hatte das schon wieder zu bedeuten?
    Jonas sah zwischen der Mannschaft und den Schiffsoberen hin und her und plötzlich war alles, was er zuvor gedacht hatte, auf den Kopf gestellt.
    Die Männer kehrten ihm nicht den Rücken zu, weil sie
ihn
ablehnten.
    Sie lehnten seine
Bestrafung
ab.
    Hudson hatte ihnen befohlen, sich seine Schande anzusehen. Und sie wandten sich ab, damit sie es nicht tun mussten.
    Das ist wie   … Wie nennen es die Lehrer in der Schule, wenn man sich gegen etwas auflehnt, aber nicht mit Gewalt,

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