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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sondern durch friedlichen Protest? Jonas fiel der Begriff nicht mehr ein. Doch es war das, was Gandhi und Martin Luther King getan hatten und auch Nelson Mandela   – oder vielmehr was sie tun würden, sobald das zwanzigste Jahrhundert anbrach. Falls es das zwanzigste Jahrhundert noch gab.
    Boah, dachte Jonas. Als wäre ich der Anführer einer Bewegung!
    Aber wussten die Anführer von Bewegungen normalerweise nicht auch, zu welchem Zweck sie die Menschen anführten?

Zwanzig
    »Zurück an die Arbeit!«, befahl Hudson. Die Besatzung der
Discovery
zerstreute sich und ließ Jonas allein am Pranger zurück.
    Sobald die anderen außer Hörweite waren, kniete sich Katherine neben ihn.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie bekümmert. »Ich hole dich da raus!«
    Sie griff nach dem Schloss.
    »Nein, Katherine«, sagte Jonas. »Ist dir nicht klar, wie das rüberkommen muss?«
    Er konnte sich vorstellen, wie es für die Mannschaft aussehen würde: Der Schlüssel zum Schloss schwebte aus John Kings Hosentasche, der obere Teil des Prangers öffnete sich scheinbar von allein und Jonas stand auf und war frei. Es würde aussehen wie Zauberei.
    Oder wie »Hexerei und Teufelswerk«, wie einer der Seeleute zu Beginn der Meuterei gesagt hatte.
    »Tut das denn nicht weh?«, erkundigte sich Katherine.
    »Nö, mir geht’s gut«, sagte Jonas so munter wie möglich. »Bis zum Sonnenuntergang morgen halte ich es schon aus. Kein Problem.«
    In Wirklichkeit hatte er von der Bückerei bereits einen steifen Hals und von den harten Schiffsplanken taten ihm die Knie weh. Wie kalt würde es in der Nacht wohl werden?
    Trotzdem klebte er sich um Katherines willen ein Lächeln ins Gesicht.
    Sie sah ihn finster an.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte sie.
    »Ich dachte, du bist in Gefahr«, murmelte Jonas. »Ich hatte Angst, du wärst wieder sichtbar geworden. Was hat Prickett denn gemeint, als er ›O nein! Was ist denn das?‹ rief?«
    Katherines Blick wurde noch düsterer, aber jetzt schien sie sich mehr über Hudson und Prickett zu ärgern als über ihn.
    »Sie haben sich Karten angesehen«, erklärte sie. »Ich weiß nicht, ob es ein Anzeichen dafür ist, dass die Zeit komplett vermurkst ist, auf jeden Fall haben sie ganz merkwürdige Vorstellungen davon, wie Nord- und Südamerika aussehen. Ich hätte gar nicht sagen können, was die Karten eigentlich darstellen sollen, wenn der Umriss von Florida nicht meistens gestimmt hätte.«
    »Wir sind weit weg von Florida«, murmelte Jonas.
    »Allerdings. Ich glaube, die anderen Teile der Kartensind schlicht und einfach erfunden«, sagte Katherine. »Sie zeigen, was die Entdecker gern vorfinden wollen.« Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Auf allen Karten gab es einen wunderschönen Fluss, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.«
    »Wie den Panamakanal, meinst du?«, hakte Jonas nach.
    »Nicht da, wo Panama ist«, stellte Katherine richtig. »Sondern genau hier.« Sie zeigte in Richtung des eisigen Wassers unter ihren Füßen. Dann schien sie zu begreifen, wie lächerlich es war, einen realen Ort mit mehr oder weniger erfundenen Karten in Übereinstimmung bringen zu wollen. »Jedenfalls hier in der Gegend. Wo irgendwann einmal Kanada sein wird.«
    »Dann ist das die ›Nordwestpassage‹«, flüsterte Jonas. »Die mein ›Vater‹ gern ›Hudson Passage‹ taufen möchte.« Er zuckte mit den Schultern oder versuchte es wenigstens. Es war nicht ganz leicht mit dem eingeklemmten Hals. »Sie werden schon noch rausfinden, dass es sie nicht gibt. Meinst du nicht?«
    »Vermutlich«, sagte Katherine und es war merkwürdig, dass sie so unsicher klang. »Es sei denn, die Eiskappen schmelzen ab oder so etwas Ähnliches.«
    Wieder versuchte Jonas sich daran zu erinnern, was Mrs Rorshas ihnen im fünften Schuljahr über die Nordwestpassage erzählt hatte. Gemeinschaftskunde hatten sie immer direkt nach dem Mittagessen gehabt, wenn es ihm im Klassenraum zu heiß und er schrecklichmüde geworden war. Aber dort hatte eine Karte an der Wand gehangen, die er manchmal angestarrt hatte, um wach zu bleiben. War auf ihr eine Nordwest- oder Hudson Passage zu sehen gewesen? Oder hatte sie nur die Vereinigten Staaten und nicht ganz Nordamerika abgebildet? Jonas konnte sich an kleine Fähnchen erinnern, die den Streckenverlauf der Reiterstafette des Pony Express markierten, die transkontinentale Eisenbahnlinie, die erste Siedlerroute über den Oregon Trail, die Schlachtfelder des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs

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