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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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inne und verschnaufte. Anna spürte ihren Herzschlag bis zum Hals. Sie musste mit einem vertrauten Menschen reden, musste gestehen, dass sie einen Fehler begangen hatte. Vielleicht fiel es ihr leichter, wenn sie den Meister dabei nicht ansah. Anna drehte sich zur Wandtäfelung.
    “Meister, als ich allein im Wald war, da …”
    Ein dumpfes Poltern. Anna fuhr herum. Meister Spierl lag am Boden, zusammengesunken wie ein vergessenes Häufchen Filzseife.
     
    Der Meister lag noch immer, wie der Wächter ihn hingelegt hatte. Er hatte sich so lange nicht gerührt, dass Anna schon fürchtete, er sei wieder in diesen tiefen Schlaf gefallen. Wie eines der Tiere draußen in den Verschlägen war sie in der Nähstube auf und ab gegangen, hatte Schnur und Werkzeug eingepackt und wieder ausgepackt, dem Bewusstlosen Wasser ins Gesicht gespritzt, etwas von seinem Teller gegessen. Wann sollten sie zum Kaiser?
    Man würde sie holen. Wenn er nicht bald munter wurde, musste sie die Wach leute wieder zurückschicken. Allein ginge sie auf gar keinen Fall zum Kaiser. Der war gefährlich, und de Vinea würde sich sicher rächen wollen, das spürte sie. Noch einmal benetzte sie die Stirn und die magere Brust des alten Mannes mit Wasser aus dem Krug. Das Wunder geschah. Er hustete, warf sich auf die Seite und schlug die Augen auf. Anna schossen vor Erleichterung die Tränen in die Augen.
    “Meister!”
    “Durst.”
    Sie flößte ihm etwas Wasser ein. Er blinzelte zum Fensterloch und fuhr auf.
    “Wie lange?” , fragte er.
    Anna wusste, was er meinte. “Nicht lange, es war noch keiner hier.”
    Quälend langsam schob der Meister die dürren Beine über den Rand der Bettstatt und zog sich am Waschtisch hoch.
    “Worauf wartest du? Pack alles zusammen. Oder willst du während des Vermessens noch einmal gemütlich in die Kammer kommen und den Kaiser warten lassen?”
    Anna fiel ein Stein vom Herzen. Er schimpfte. Rasch legte sie noch Stecknadeln und Kreide, Winkel und Schnüre zu den anderen Utensilien in den Korb. Alles würde gut werden.
     
    Sonnenlicht fiel wie eine gleißende Schleppe durch das kleine Fenster, Staubkörner tanzten zu unsichtbarer Musik einen Reigen, den nur das Licht kannte. In seinem besten Rock lag der Meister auf dem Bett und ruhte. Alles war vorbereitet. Nach dem Essen hatte Anna sich gewaschen und ihr Gewand noch einmal abgebürstet. Für einen Augenblick hatte sie überlegt, ob sie das rote Kleid anziehen sollte, sich aber dagegen entschieden. Es war warm, die Schweißflecken, die sich während der Gerichtsversammlung unter den Armen ausgebreitet hatten, waren getrocknet. Außerdem hatte im Saal niemand Rot getragen. Ob das Tragen dieser Farbe bei Hof verboten war? Sie hätte den Meister gern danach gefragt, aber sein Schnarchen verriet ihr, dass er eingeschlafen war. Wenn es ihm schlecht ging, träte sie weder im blauen noch im roten Kleid zum Vermessen vor den Kaiser. Besser, sie ließ dem alten Mann seinen Genesungsschlaf.
    Drauß en summten die Bienen. Die sommerliche Schläfrigkeit, die der Raum atmete, erfasste auch Anna. Sie lehnte sich zurück, schob einen Ellbogen hinter den Kopf und schloss die Augen.
     
    Wumm! Wumm! Anna zuckte zusammen. Wumm! Wumm! Wumm! Sie fuhr hoch und strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. Die Wache!
    “ Sofort!” Sie glättete den Rock und trat an Spierls Bett.
    “Meister.”
    Er rührte sich nicht.
    “Meister!”
    Der Gewandschneider grunzte und stützte sich auf den Ellbogen.
    “Was? ”
    “Es klopft. D er Wächter! Ich glaube, wir müssen los.”
    Wumm! Wumm! Wumm!
    “Mach auf! Mach schon!”, hetzte sie der Meister. Während er sich vom Bett erhob, eilte Anna zur Tür und riss sie auf.
    Ein tiefschwarzes Gesicht mit zwei Reihen blendend weißer Zähne tauchte auf und strahlte sie an. Der Wächter aus dem Saal! Ein gutes Zeichen.
    “Du. Apfelretterin.” Er lachte . Der kehlige Laut, der ihr tags zuvor noch Angst und Schrecken eingejagt hätte, klang irgendwie lustig. Sie lachte zurück.
    “Kommen. Wir gehen Kaiser.”
    Meister Spierl hielt Anna ihren Beutel hin, ergriff seinen Korb und trat vor ihr in den Gang. Der Schwarze ging langsam voran und wandte sich immer wieder um, wie um sich zu vergewissern, dass er sie nicht verloren hatte. Sie folgten ihm durch einen breiten, hellen Gang, treppauf und durch etliche Türen.
    “Warum habt ihr vorhin so gelacht?”, fragte Meister Spierl leise.
    “Eine Alte wollte ihn mit faulen Äpfeln bewerfen, als sie den

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