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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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und drehte sich zu Martins Mutter um. «Es tut mir leid, was mit Konrad geschehen ist. Es muss schrecklich sein … Danke, dass Ihr Euch so gut um Anton kümmert.»
    «Er gehört jetzt zu unserem Haushalt», erwiderte Augusta spröde. «Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass er …» Sie hielt inne und wandte sich abrupt ab. Mit zusammengekniffenen Lippen starrte sie an die Wand.
    Luzia blickte einen Moment lang auf die hochgezogenen Schultern der Frau. Sie wusste, dass Augusta ihr nicht traute, dass Vorbehalte sie daran hinderten, Luzia zu akzeptieren.
    In diesem Moment bedauerte Luzia diesen Umstand. Dennoch trat sie zu Augusta und legte ihr eine Hand auf den Arm. «Es wird bestimmt alles wieder gut», sagte sie leise. «Bestimmt, ich spüre es.»
    «Ihr spürt es?» Augustas Stimme klang scharf wie eine Rasierklinge. «Ist das wieder so ein Unsinn wie die Träume, die Ihr angeblich durch dieses Kruzifix hattet?»
    «Er hat Euch davon erzählt.» Es war mehr eine Feststellung denn eine Frage. Luzia war klar gewesen, dass Martin seiner Mutter von ihr und dem Kreuz erzählt hatte. Augusta schien offenbar nicht sehr angetan von der Tatsache, dass Luzia seherische Fähigkeiten besaß. Kein Wunder, ängstigte dieser Umstand sie doch selbst hin und wieder. «Es ist kein Unsinn, Frau Augusta. Das Kruzifix ist eine mächtige Reliquie, die …»
    «Die sich ausgerechnet jemanden wie Euch für das Vollbringen von Wundern ausgesucht hat?» Augusta wirbelte zu ihr herum und funkelte sie zornig an. «Eine Bauerntochter, die von sich glaubt, sie sei etwas Besseres? Der glückliche Umstände zu einer Stellung verholfen haben, die ihr aufgrund der Geburt niemals zugestanden hätte!»
    Entsetzt starrte Luzia sie an. «Ihr wisst …?»
    «Oh, keine Angst, ich werde Euer kleines Geheimnis nicht weitertratschen. Ihr müsst selbst mit Eurem Gewissen und dem Allmächtigen zurechtkommen. Aber lasst Euch gesagt sein, dass ich es niemals dulden werde, dass Ihr … dass Ihr …» Plötzlich brach Augusta ab und schlug die Hände vors Gesicht. «Heilige Muttergottes, steh mir bei! Ich will ihn nicht verlieren! Nimm mir nicht meinen Sohn. Nicht meinen Sohn …»
    Erschrocken legte Luzia einen Arm um die Schulter der weinenden Frau und führte sie zu einem Stuhl. «Kommt, setzt Euch, Frau Augusta. Beruhigt Euch. Ich bin sicher, es wird alles wieder gut. Martin ist bereits auf dem Weg nach Lahnstein.»
    «Was, wenn er zu spät kommt? Wenn er … Wenn Konrad …»
    «Daran dürft Ihr nicht denken», ermahnte Luzia sie sanft. «Hier, trinkt einen Schluck …» Sie schnupperte an dem Krug, der auf dem Tisch stand. «Wein.» Rasch goss sie etwas davon in einen Becher und reichte ihn Augusta, die kurz daran nippte und das Gefäß dann umklammerte wie einen rettenden Anker.
    «Drei Söhne habe ich geboren», begann sie mit schwankender Stimme. «Einen von ihnen habe ich an die Fremde verloren. Seit über fünfzehn Jahren habe ich Bertholff nicht mehr gesehen. Er schreibt mir lange Briefe, wenn er einmal die Zeit dazu findet. Es ist nicht leicht, ihn jenseits der Alpen in einem fernen Land zu wissen. Auch Martin hätte ich einmal beinahe verloren. Damals, nach dem Feuer, das unser Haus zerstörte. Er war mutig, so mutig. Zu mutig. Hat geholfen, seine Schwestern und mich zu retten, doch dann ist dieser brennende Balken herabgestürzt und hat ihn unter sich begraben.»
    Luzia schauderte bei der Vorstellung, schwieg aber, um Augusta nicht zu unterbrechen.
    «Ich höre seinen Schrei heute noch, als wäre es eben erst geschehen. Und die Flammen, die furchtbaren Flammen. Sie fraßen sich in sein Fleisch. Ich glaubte ihn schon verloren, doch mein Mann – sein seliger Vater! – und einer der Knechte haben ihn gerettet. Sie zogen ihn aus der Flammenhölle. Doch er war tot. Ich war sicher, dass kein Mensch mit solchen Verbrennungen noch am Leben sein konnte.» Augustas Augen nahmen einen leeren, in sich gekehrten Blick an. «Wir riefen den Arzt, den Priester, die heilkundigen Mönche. Sie reinigten seine Wunden, verbanden ihn am ganzen Leib. Niemand glaubte, er würde auch nur die Nacht überstehen. Als er am nächsten Morgen noch lebte, war es wie ein Wunder. Martin ist stark. Er hat gekämpft, viele Wochen und Monate gelitten. Es hat mir das Herz gebrochen, wieder und wieder. Aber er blieb am Leben, gezeichnet von jenem Unglück.» Nun trat wieder Zorn in Augustas Augen; sie hob den Kopf und sah Luzia direkt ins Gesicht. «Auf ewig gezeichnet, muss

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