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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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er nun damit leben. Zu Anfang wollte niemand auch nur mit ihm sprechen. Man betrachtete ihn als Ungeheuer. Viele hatten Angst vor ihm, weil es unnatürlich ist, dass jemand mit seinen Verletzungen überlebt.» Ihre Stimme wurde wieder scharf. «In Euren Augen habe ich diesen Abscheu auch schon wahrgenommen, Luzia. Seht auch Ihr in ihm nichts anderes als den Gebrandmarkten?»
    «Nein, Frau Augusta, ich …»
    «Ihr braucht Euch nicht zu rechtfertigen. Martin hat der Welt längst gezeigt, wer er wirklich ist. Er ist ein erfolgreicher Kaufmann, überall respektiert und hoch angesehen.» Müde rieb sich Augusta über die Augen. «Konrad war immer ruhiger als seine Brüder. Sanftmütiger. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass nun er es ist, den ich verlieren könnte. Weshalb tut der Herr mir das an? Warum alle drei? Warum …»
    «Frau Augusta, so dürft Ihr nicht reden», unterbrach Luzia sie. «Sollte dies eine Prüfung sein, die Gott Euch auferlegt, so müsst Ihr doch Trost aus dem Gedanken ziehen, dass es Eurem ältesten Sohn gutgeht, auch wenn er fern von Euch lebt, und dass Martin jene schlimme Zeit überlebt hat. Gewiss wird auch Konrad bald wieder hier sein.»
    «So seht Ihr das?» Überrascht blickte Augusta sie an.
    «Ihr dürft nicht das Schlimmste annehmen», sprach Luzia weiter. «Ich werde morgen früh eine Kerze für Konrad in der Kirche anzünden und für ihn beten. Wenn Ihr möchtet, kann ich auch für Euch ein Licht …»
    «Nein.» Entschieden schüttelte Augusta den Kopf. «Nein, Luzia, das werde ich selbst tun. Aber … danke für das Angebot.»
    Luzia wandte sich zum Gehen. «Wenn Ihr Hilfe benötigt, schickt nach mir.»
    * * *
    Augusta Wied dachte nicht im Traum daran, Luzias Angebot anzunehmen. Es war ihr peinlich genug, der jungen Frau am Vortag so viel über sich offenbart zu haben. Zwar war Luzia ihr sehr freundlich und zuvorkommend begegnet, doch noch immer konnte sie sich nicht mit der Tatsache anfreunden, wie die junge Frau bäuerlicher Herkunft zu dem Rang gekommen war, den sie mittlerweile innehatte. Von ihren seltsamen Fähigkeiten ganz abgesehen, die Augusta allerdings bisher selbst noch nicht erlebt hatte. Vielleicht war ja auch gar nichts daran: Möglicherweise handelte es sich lediglich um Aufschneiderei oder entsprang ganz einfach der Einbildung.
    Wie versprochen war Luzia am frühen Morgen noch einmal gekommen und hatte nach Anton gesehen. Nachdem sie sich versichert hatte, dass es ihm besserging, war sie rasch wieder aufgebrochen. Offenbar erwartete Frau Elisabeth sie alsbald zurück, was nur recht war. Schließlich war Luzia ihre Leibmagd und hatte sich nicht stundenlang in der Stadt herumzutreiben. Wenn es sich auch um ihren Bruder handelte – Anton war schließlich nicht allzu schwer verletzt und erhielt die bestmögliche Pflege.
    Seufzend bezahlte Augusta den Boten, der einen Brief für Martin überbracht hatte, ebenso wie den Fuhrknecht, der im Auftrag seines Herrn eine Ladung Wein anlieferte. Die Knechte luden das riesige Gefährt ab und rollten die Fässer ins Lagerhaus. Wenig später erschien ein Kölner Kaufmann, den sie nur vom Sehen kannte, und verlangte Martin zu sprechen. Sie vertröstete ihn ebenso wie die beiden Mönche, die kurz vor Mittag vor der Tür standen.
    Als dann am späten Nachmittag eine ganze Handelskarawane vor dem Anwesen haltmachte, hätte sie beinahe laut geflucht. Mit den Geschäften ihres Sohnes war sie nicht allzu gut vertraut. Natürlich kannte sie die Männer, die den Handelszug befehligten. Sie standen in Martins Lohn, brachten wichtige und wertvolle Handelsgüter über den Landweg herbei. Schwer bepackt waren die Lasttiere und Wagen; offenbar hatte Martin nicht gezögert, mit Muskins Geld große Mengen an Spezereien einzukaufen. Der Jahrmarkt hatte das Lagerhaus bis auf wenige Reste geleert, die dann über Weihnachten noch verkauft worden waren. Nachschub war also dringend vonnöten. Doch wie in aller Welt sollte sie feststellen, ob die Lieferung ihre Richtigkeit hatte? Ob alle Waren vorhanden und von guter Qualität waren? Zwar konnte sie mit den Mädchen eine Bestandsliste anlegen; das hatten sie schon oft getan. Doch in wenigen Tagen wollten die Männer wieder fortziehen. Sie erwarteten Martins neue Bestellung – und ihre Bezahlung.
    Die ganze Nacht über rang Augusta mit sich; wog das Für und Wider gegeneinander ab. Es musste eine andere Lösung geben. Es musste einfach.
    Am nächsten Morgen schickte sie Alban zu des Grafen Johanns Haus am

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