Die Gewürzhändlerin
er schwer verletzt in einem Hospital liegt?», wiederholte er beinahe genau ihre Worte.
«Nein, natürlich nicht.» Sie wurde erst rot, dann blass. «Es tut mir leid. Kann ich etwas tun?»
«Leistet Anton ein wenig Gesellschaft. Ihm geht es sicher bald wieder gut. Wenn Ihr jemanden braucht, der Euch heimbegleitet, sagt einfach meiner Mutter Bescheid. Sie wird Euch einen der Knechte herbeiholen.»
«Ich bin mit Bruder Georg gekommen», erklärte sie. «Er wartet unten auf mich.» Sie zögerte. Als er schon aus der Tür war, holte sie tief Luft. «Martin?»
Er drehte sich noch einmal zu ihr um.
«Passt auf Euch auf. Und … grüßt Konrad von mir.»
Er nickte stumm und ging davon.
Sogleich wandte sie sich wieder Anton zu und setzte sich nun auf den freigewordenen Schemel. «Nun sag mir, was passiert ist.»
Anton grinste schief. «Ich bin ganz allein von Lahnstein aus hergeritten, Luzia. Auf einem Zugpferd. Ganz allein, Luzia, weil die beiden Wachmänner so schwer verletzt sind. Sie haben sich die Knochen gebrochen.»
«O heilige Maria!», rief Luzia entsetzt. «Wie konnte das passieren? Und was ist mit Konrad?»
Anton rutschte auf seinem Lager herum, um eine bequemere Lage einzunehmen. Dabei verrutschte der Verband um seine Stirn leicht. Fürsorglich rückte Luzia ihn wieder gerade.
«Wir waren auf dem Rückweg von Burg Stolzenfels», begann er. «Du glaubst gar nicht, wie viele Gewürze wir dorthin geliefert haben. Und Öle und natürlich Wein. Burgundischen. Zwischen Stolzenfels und Lahnstein gibt es ein paar sehr schlechte Wege, manche sind abschüssig. Plötzlich hat eines der Pferde, die das Fuhrwerk zogen, vor irgendwas gescheut. Ich weiß nicht, was es war. Die Tiere gingen durch; es war ziemlich glatt und hatte geschneit. Das Fuhrwerk kippte um und begrub den Fuhrknecht unter sich. Er ist tot.»
«O nein!» Luzia bekreuzigte sich und umfasste dann das silberne Kruzifix, während sie ihrem Bruder lauschte.
«Konrad und ich saßen hinten auf dem Fuhrwerk. Ich konnte gerade noch abspringen, aber Konrad hat es nicht so schnell geschafft. Als es umkippte und die Böschung hinunterrutschte, lag er plötzlich darunter.»
«Wie furchtbar!»
«Die beiden Wachmänner, die mit uns ritten, versuchten, die Pferde zu stoppen. Einer von ihnen wurde aus dem Sattel geschleudert, der andere abgeworfen, als sein Pferd vor dem umkippenden Fuhrwerk gescheut hat. Beide sind sie ein ziemliches Stück den Abhang runtergerutscht. Es hat furchtbar lange gedauert, bis ich es geschafft hatte, sie wieder hochzuziehen.»
«Du hast das getan?»
Anton nickte ernst. «Klar, war ja sonst niemand da. Der eine von ihnen musste mir dann noch helfen, Konrad unter dem Fuhrwerk hervorzuziehen. Alleine hätte ich das nie geschafft. Der andere konnte nicht helfen, weil er sich beide Arme gebrochen hat.»
«Was war mit Konrad? Er lebte also noch?»
«Er war ohnmächtig und sah ziemlich schlimm aus. Ich weiß nicht, was er hat. Man kann ja nicht in einen Menschen hineinsehen. Ich bin dann auf eines der Pferde gestiegen und, so schnell es ging, nach Lahnstein geritten, um Hilfe zu holen. Es hat mehrere Stunden gedauert. Ich habe jemanden vom Hospital gefunden, der einen Karren geschickt hat. Mit dem haben wir Konrad dann transportiert. Er ist die ganze Zeit nicht aufgewacht.» Betrübt blickte Anton zur Decke hinauf. «Ich hoffe, er lebt noch.»
«Wir sollten für ihn beten», sagte Luzia betrübt. «Gleich morgen werde ich in der Liebfrauenkirche eine Kerze für ihn anzünden.» Sie ergriff Antons Hand. «Ich bin so froh, dass es dir gutgeht, Tünn.» Zitternd atmete sie ein. «Du warst sehr tapfer.»
«Ich hab nur getan, was jeder Mann getan hätte», behauptete er und winkte lässig ab.
Lächelnd strich Luzia ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. «Du siehst erschöpft aus. Vielleicht ist es besser, ich gehe jetzt und lasse dich schlafen. Morgen früh komme ich und sehe noch einmal nach dir.»
«Ach was, die paar Kratzer. Deswegen brauchst du dich nicht aufzuregen.»
«Wie du meinst. Trotzdem komme ich morgen noch einmal her.» Entschlossen stand Luzia auf und ging zur Tür. «Gute Nacht, Tünn.»
Am Fuß der Stiege traf sie auf Augusta, die gerade mit einem Armvoll Tischwäsche in Richtung Stube ging. «Wartet, ich nehme Euch etwas ab!», rief Luzia und griff nach dem Wäschebündel.
«Das ist nicht … Danke.» Seufzend überließ Augusta ihr die Wäsche und öffnete die Stubentür.
Luzia legte das Bündel auf dem Tisch ab
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