Die Gewürzhändlerin
Person, mit der man normalerweise Geschäfte machte.
«Jungfer Luzia?», sagte Alban unvermittelt. «Wäret Ihr wohl so gut, einen Augenblick auf mich zu warten? Frau Augusta will, dass ich beim Fleischscharren vorbeigehe, um Hühner einzukaufen.»
«Aber natürlich warte ich, Alban. Geh nur.» Luzia trat einen Schritt beiseite, als ein Bauer mit einem Karren voller Kohlköpfe an ihr vorbeitrottete. Gemeinsam mit Anton sah sie zu, wie Alban zu dem nicht weit entfernten Fleischscharren marschierte und dort mit dem Fleischermeister um die bereits gerupften Hühner feilschte.
Plötzlich tauchte neben ihr ein hochgewachsener blonder Mann auf und sprach sie an. «Na so was, wenn das nicht die Jungfer Luzia ist!»
Sie schrak zusammen und blickte den Mann überrascht an. «Verzeihung, kennen wir uns?»
«Noch nicht, leider», antwortete der gutaussehende Fremde lächelnd. «Zumindest wurden wir einander noch nicht vorgestellt, doch das lässt sich ja rasch nachholen. Mein Name ist Siegfried Thal.» Er deutete eine Verbeugung an. «Stets zu Euren Diensten, edle Jungfer.»
«Thal?» Sie runzelte die Stirn.
Er lächelte unverändert weiter. «Jetzt überlegt Ihr, ob Ihr überhaupt mit mir reden möchtet, da ich der Sohn von Ulrich Thal bin, der, wie alle Welt weiß, Martin Wieds größter und erbittertster Konkurrent ist. Ich hoffe aber, dass der Interessenkonflikt nicht allzu groß sein wird. Es wäre wirklich bedauerlich, wenn meine verwandtschaftlichen Bande Euch dazu verleiteten, mir den Rücken zuzukehren, bevor wir einander besser kennenlernen können.» Er ließ seinen Blick anerkennend über ihre Gestalt wandern. «Mehr als bedauerlich wäre das», setzte er schließlich hinzu. «Ich habe Euch bereits einige Male auf der Straße oder dem Markt erblickt, aber bisher nie die Gelegenheit gefunden, ein paar Worte mit Euch zu wechseln. Gestattet Ihr mir, Euch nach Hause zu begleiten?»
«Ich bin nicht auf dem Weg nach Hause, sondern …»
«Zu Martin?» Er nickte. «Also gut, auch dorthin geleite ich Euch gern.»
«Wenn Ihr darauf besteht. Doch ich warte erst noch auf Alban.»
«Aber ja doch, umso länger habe ich Gelegenheit, Eure Gesellschaft zu genießen», sagte Siegfried.
Während des anschließenden Gesprächs lächelte er sie weiterhin so freundlich an, dass Luzia schließlich nicht umhin konnte, ebenfalls zu lächeln. Als wenig später Alban vom Fleischscharren zurückkehrte, gingen sie gemeinsam weiter. Auf dem Weg zum Kornmarkt plauderte Siegfried fröhlich auf Luzia ein, erzählte ihr von den Reisen nach Mainz und Frankfurt, die er vor Weihnachten unternommen hatte, und brachte sie mit lustigen Anekdoten zum Lachen. Als sie Martins Anwesen erreichten, blieb Luzia etwas unschlüssig am Hoftor stehen, während Alban sogleich die Hühner ins Haus brachte und Anton hinüber zum Lagerhaus ging.
«Da wären wir», bemerkte Luzia überflüssigerweise.
«Tja, nun.» Siegfried neigte den Kopf zur Seite und zwinkerte ihr zu. «Haltet Ihr mich für unverschämt, wenn ich Euch gestehe, dass ich Eure Gesellschaft gerne noch länger genießen würde?»
Luzia zögerte. «Ich habe noch einige Aufgaben zu erledigen. Ich glaube nicht, dass es sich ziemt …»
«Ich weiß.» Er hob schmunzelnd die Schultern. «Vielleicht treffen wir ja noch einmal zufällig aufeinander. In der Sonntagsmesse vielleicht?»
Um Luzias Mundwinkel zuckte es. «Das ist gut möglich.»
«Es würde mich ganz außerordentlich freuen», betonte Siegfried. «Vielleicht kann ich Euch bei der Gelegenheit einen guten Freund von mir vorstellen. Wisst Ihr, im Grunde ist es nämlich sein Verdienst, dass Ihr mir aufgefallen seid.»
Überrascht hob Luzia den Kopf. «So? Wie das?»
«Ich erzählte Euch ja, dass ich bis kurz vor Weihnachten auf Reisen war. Auf jener Reise traf ich zufällig auch jenen Freund – er ist ein Wäpling, ein Wappenträger aus alter Familie. Er begleitete mich nach Koblenz und erfuhr dort noch vor mir, dass Wied eine neue Gehilfin haben soll.»
«Euer Vater hat Euch nichts davon erzählt?»
«Das Gespräch kam nicht darauf. Vater ist nicht sehr mitteilsam, müsst Ihr wissen.»
«Euer Freund hat Euch also von mir erzählt.»
«Ja, das tat er. Auch hatte er Euch schon auf dem Florinshof erspäht und beschrieb Euch derart wohlgefällig, dass ich fortan höchst erpicht darauf war, Euch kennenzulernen. Ihr sollt ein außergewöhnliches Talent im Rechnen besitzen und es gar geschafft haben, meinem Vater etwas zu verkaufen,
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