Die Gewürzhändlerin
Martin damals getan haben …»
«Was haben sie denn getan?»
«Aah …» Zu Konrads Nervosität gesellte sich nun auch Verlegenheit. «Ich sollte darüber schweigen. Martin will nicht, dass …»
«So sprecht schon. Glaubt Ihr nicht, dass ich wissen sollte, was vorgefallen ist?»
«Hm, ja, vielleicht.» Noch immer zögernd, ging Konrad zum Pult und lehnte sich dagegen. «Es ist schon lange her – zehn, zwölf Jahre. Martin war damals …» Konrad suchte ganz offensichtlich nach Worten. Schließlich erzählte er mit gesenkter Stimme: «Er war ein Heißsporn, hat viel Ärger gemacht. Vater musste ihn fast täglich aus irgendwelchen Schwierigkeiten herausholen. Irgendwann hörte er dann plötzlich auf, Unsinn zu treiben. Wir dachten schon, er habe sich besonnen, aber in Wahrheit hatte er diesen Pierre van Thelen getroffen und angefangen, mit ihm Handelsurkunden zu ihren Gunsten zu fälschen.»
«Ach.» Luzia kräuselte die Lippen.
«Nie große Summen», fügte Konrad rasch hinzu. «Aber genug, um bei einer Entdeckung im Turm zu landen.» Er schluckte. «Luzia, Ihr dürft niemals jemandem davon erzählen! Ich weiß es auch nur durch Zufall. Mutter hat keine Ahnung, selbst mein Vater hat es nie erfahren.»
«Was hat ihn dazu bewogen, die Fälschungen aufzugeben?», fragte Luzia vorsichtig.
«Ich weiß es nicht genau. Er und van Thelen wurden wohl einmal erwischt.» Konrad räusperte sich. «Von Johann von Manten.»
«Von Graf Johann?» Luzia stieß einen verblüfften Laut aus. «Aber wie …? Ich dachte, die beiden wären gute Freunde.»
«Damals kannten sie einander noch nicht. Herr Johann kümmerte sich um die Ländereien seines Vaters. Ihm fielen wohl die falschen Liefermengen auf, als er eines der Güter besichtigte, und verfolgte die Spur zu Martin. Was genau zwischen den beiden vorgefallen ist, weiß ich auch nicht. Martin war damals in einer sehr schwierigen Gemütsverfassung. Seine Narben, die Schmerzen, die er hin und wieder immer noch hatte – all das hat ihn, glaube ich, fast verrückt gemacht. Deshalb war er lange Zeit völlig unberechenbar. Und mit den Fälschungen hat er sich nur noch mehr in diesen Strudel hineingeritten. Ich weiß auch nicht.» Ratlos fuhr sich Konrad mit gespreizten Fingern durchs Haar. «Ich kann es nicht beschwören, aber manchmal dachte ich, er sucht nur nach einem Grund für die Leute, ihn noch mehr zu verabscheuen. Oder, schlimmer noch …»
«Ihn zu verurteilen», beendete Luzia seinen Satz.
Konrad schluckte hörbar. «Er wollte …»
«Sterben.»
«Ihr wisst …?»
Luzia senkte den Kopf, hob ihn jedoch sogleich wieder. «Er hat mir erzählt, Herr Johann habe ihn davor bewahrt, sich etwas anzutun.»
Konrad starrte sie halb ungläubig, halb nachdenklich an. «Er hat es Euch gesagt.» Wie benommen schüttelte er den Kopf. «Ich wusste nicht, dass er Euch so sehr vertraut.»
«Warum sollte jemand etwas über diese Vorfälle herausfinden?», fragte Luzia, um das Gespräch wieder auf sichereren Boden zu führen. «Wenn das alles schon so lange her ist und niemand ein Wort darüber verliert … Graf Johann wird nichts sagen, Martin ebenfalls nicht. Wir wissen offiziell nichts davon, und dieser van Thelen …»
«Der schweigt wie ein Grab», beeilte sich Konrad anzufügen. «Aber in solchen Angelegenheiten weiß man doch nie … Die Schöffen werden bestimmt alle möglichen Spuren verfolgen. Immerhin geht es ja auch hier um Betrug. Sehr schweren Betrug, Luzia. Das allein kann Martin für den Rest seines Lebens in den Turm bringen. Und dann noch dieser tote Mann auf der
Ludwina
. Dafür können sie ihn hängen.»
«Nur wenn sie beweisen können, dass Martin wirklich schuldig ist.» Entschlossen blickte sie sich im Kontor um. Dann ging sie auf eine der Truhen zu, öffnete den Deckel und beugte sich vor, um sich den Inhalt genauer anzusehen. «Ich werde alle Schriftstücke zusammensuchen, die uns vielleicht weiterhelfen können. Martin sagt, es gibt eine Urkunde, die besagt, dass er seinen Kredit bei Muskin längst zurückgezahlt hat.»
«Das mag ja sein. Aber soweit ich es verstanden habe, glauben die Schöffen, dass Martin das Geld womöglich auch braucht, weil er sich mit dem Kauf der Anteile an der Kogge übernommen hat.»
Luzia richtete sich wieder auf und drehte sich zu Konrad um. «Dann müssen wir eben Beweise dafür finden, dass dem nicht so ist.»
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22. Kapitel
D a ist Besuch im Hof, der Euch sprechen will.»
«Besuch?» Überrascht
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