Die Gewürzhändlerin
Kassette aufbewahrte. Sie hatte den kleinen Kasten sowie den Brief gerade auf dem Pult abgelegt, als die zwei Schöffen hereinkamen, beide groß und schlank, mit dunklem Haar und in die langen, wertvollen Schöffenmäntel gekleidet.
Ludinger nickte ihr mit ernster, jedoch nicht unfreundlicher Miene zu. «Jungfer Luzia. Konrad. Wir danken Euch für Eure freimütige Mithilfe in dieser Sache.» Fragend blickte er auf die Kassette und nahm sie dann in die Hand, öffnete sie und stieß unwillkürlich einen verblüfften Laut aus, als er die vielen Münzen darin erblickte.
Neben ihm räusperte sich Gylo und griff nach dem Brief. Eingehend studierte er ihn. «Dies ist Martin Wieds Schrift», stellte er fest, hob den Kopf und sah erst Konrad, dann Luzia an.
Sie nickte. «Es ist seine Schrift. Aber er sagt, er habe mir diesen Brief nicht geschickt, sondern einen anderen, der aber verschwunden ist.»
«Verschwunden?» Neugierig kam Konrad näher und sah nun ebenfalls auf den Brief.
«Was darin stand, kann ich nicht sagen. Aber Martin hat mir erzählt, dass er auch diese Geldkassette nicht geschickt hat, sondern ein Kästchen mit Alaun und Auripigment für die Benediktinerinnen.»
«Selbiges hat er auch bei der Befragung ausgesagt», bestätigte Ludinger.
«Ihr glaubt ihm nicht», stellte Konrad fest. «Mein Bruder lügt nicht. Er würde niemals …»
«Ich kenne Euren Bruder», unterbrach Ludinger ihn. «Glaubt mir, uns ist diese Angelegenheit ebenso unangenehm wie Euch. Die Beweislage spricht leider gegen Martin. Wir haben diesen Brief, der offenbar von ihm verfasst wurde, auch wenn er es bestreitet. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist dies sein Siegel.» Er deutete auf das aufgebrochene Siegel, mit dem der Brief verschlossen gewesen war. Der Schöffe schwieg einen Moment bedeutsam. «Schrift und Siegel stimmen auch auf dem Brief überein, den Rigo de Beerte erhalten hat.»
«Siegel kann man fälschen, genauso wie einen Brief», warf Luzia kühn ein. Sie hatte das Gefühl, eine eisige Kralle umschlösse ihr Herz. Sie musste etwas tun, um die Schöffen von Martins Unschuld zu überzeugen. Auch wenn dies bedeutete, gegen Martins Wunsch zu handeln. «Kann man nicht prüfen lassen, ob die Briefe gefälscht wurden?»
Ludinger runzelte überrascht die Stirn. «Was wisst Ihr von Fälschungen, Jungfer Luzia?»
«Nichts … nicht viel.» Luzia biss sich auf die Unterlippe. «Ich habe einmal gesehen, wie ein Advokat eine gefälschte Urkunde untersucht hat, mit der ein Verwandter der Gräfin Elisabeth deren Familie betrügen wollte.»
Ludinger und Gylo tauschten einen kurzen Blick. «Ihr sprecht von den Erbstreitigkeiten zwischen Graf Friedebold von Küneburg und seinem Bruder Dietrich.»
Überrascht hob Luzia den Kopf. «Ihr wisst davon?»
Ludinger lächelte schmal. «Man hört so einiges. Ihr sagt, ein Advokat habe damals die Fälschungen entdeckt?»
«Ja, ein Mann aus Köln.»
«Pierre van Thelen gar?»
Luzia nickte mit klopfendem Herzen. Sie hörte, dass hinter ihr Konrad sich räusperte.
Ludinger nickte vor sich hin. «Van Thelen also. Er hat uns ebenfalls hin und wieder gute Dienste erwiesen. Vielleicht sollten wir nach ihm schicken.»
Gylo neigte zustimmend den Kopf. «Wir müssen jetzt gehen. Der Vogt wird zu den bevorstehenden Gerichtstagen in die Stadt kommen. Dann wird der Prozess stattfinden.»
«Der Prozess?», wiederholte Luzia mit banger Stimme.
Ludinger hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. «Mord und Raub sind schwere Vergehen, Jungfer Luzia, das sollte Euch klar sein. Wir werden keinen Moment zögern, den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.»
«Aber Martin ist unschuldig.»
«Glaubt mir, nichts wäre mir lieber als das.» Der Schöffe lächelte wieder schmal. «Aber vergesst nicht, neben den Briefen und der Geldkassette gibt es auch noch zwei Zeugen, die Martin gesehen haben. Sobald sie von Mainz herübergekommen sind, werden wir sie befragen.»
Die beiden Schöffen verabschiedeten sich und machten sich wieder auf den Weg zum Rathaus. Luzia und Konrad blickten einander unschlüssig an.
Schließlich straffte sie die Schultern und erklärte: «Ich denke, wir sollten versuchen, alle Schriftstücke zusammenzutragen, die etwas mit dieser Sache zu tun haben, und dann …»
«Luzia, die Schöffen dürfen van Thelen nicht befragen.»
Überrascht wandte sie sich Konrad zu, der nervös sein Kinn rieb.
«Das ist viel zu gefährlich», fuhr er fort. «Wenn sie herausfinden, was er und
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