Die Gewürzhändlerin
sollte!» Sofort hob Siegfried die Hände. «Ich wollte nicht …»
«Nein, schon gut. Die Lage ist momentan nicht ganz einfach, das versteht Ihr sicher.» Luzia bemühte sich um ein Lächeln. «Ich begleite Euch gern, möchte jedoch nicht allzu lange bleiben. Frohe Gesellschaft kann ich Euch allerdings auch nicht versprechen.»
«Das erwartet doch niemand», antwortete Siegfried ernst. «Aber ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen wird Euch gewiss nicht schaden.»
«Wahrscheinlich nicht.»
Sie warf noch einen kurzen Blick zurück, dann ließ sie sich von Siegfried zu dessen Haus in der Holzschuhergasse geleiten. Die Begrüßung durch seine Mutter und Schwester war wie erwartet überfreundlich und herzlich. Irmhild schien darüber hinaus ungeduldig auf eine Möglichkeit zu warten, sich mit Luzia allein zu unterhalten, vermutlich um sich über Konrads Gesundheit zu erkundigen. Eine Gelegenheit ergab sich jedoch nicht. Luzia erhielt umgehend einen Sitzplatz an der großen Tafel in der Wohnstube der Thals. Siegfrieds Mutter versorgte sie mit Wein und bot ihr eine Schale Wasser zum Händewaschen an. Derweil trugen zwei Mägde bereits die Speisen auf. Es war noch recht früh für ein Abendessen, doch Luzia hatte inzwischen gelernt, dass viele Handwerker und Kaufleute in den Frühjahrs- und Sommermonaten zeitig zu Abend aßen, um hernach noch bei Tageslicht etwas arbeiten zu können.
Ulrich Thal sprach ein Tischgebet, bevor er Luzia persönlich das erste Stück Fleisch anbot.
Luzia nahm sich ein winziges Stück und fühlte sich dabei nicht ganz wohl. Sie wusste um die Bedeutung, die der Rangfolge beim Essen zukam. Zwar war sie Gast hier, doch vom Status her hätte ihr nicht zwingend der erste Bissen zugestanden. Eingedenk der Vorwürfe von Augusta sowie der Andeutungen, die Klarissa ihr gegenüber ausgesprochen hatte, war sie nun auf der Hut.
«Eine schlimme Sache», begann Ulrich Thal unvermittelt, nachdem er sich selbst von der Fleischplatte bedient hatte. «Ich konnte es kaum glauben, als man mir berichtete, man habe Martin Wied unter Mordverdacht in den Ochsenturm gesperrt.»
«Er ist unschuldig», sagte Luzia, ohne zu zögern.
«Das will ich hoffen», antwortete Thal mit einem jovialen Nicken. «Sosehr er mir als Konkurrent oft im Wege steht, kann ich mir dennoch nicht vorstellen, dass er zu solchen Untaten fähig sein soll. Zwar munkelt man, er habe sich in seiner Jugend ein- oder zweimal beinahe die Finger an unehrlichen Geschäften verbrannt …» Er räusperte sich verlegen, als ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst wurde. «Aber viel kann nicht daran sein. Und falls doch, hat der alte Wied sicher zu verhindern gewusst, dass größerer Schaden entstanden ist.» Er lächelte dünn. «Der gute Bertholff, Gott sei seiner Seele gnädig, hat Martin immer in Schutz genommen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass er seinen Sohn bei dem Feuer seinerzeit beinahe verloren hätte.»
«Das mag ja alles sein.» Siegfried reichte Luzia den Korb mit Brot, aus dem sie sich eine Scheibe nahm. «Aber andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass Martin hohe Schulden hat. Der Judenkredit dürfte ihn ziemlich belasten. Ein Jammer, dass Konrad in seiner Abwesenheit nicht besser gewirtschaftet hat.»
Luzia wollte bereits protestieren, sah aber aus dem Augenwinkel den beinahe lauernden Blick des alten Thal auf sich ruhen und schloss den Mund wieder.
Die beiden Männer blickten einander mit hochgezogenen Brauen an. Luzia wurde klar, dass die zwei versuchten, sie auszuhorchen. «Selbst wenn dem so ist», sagte sie deshalb vorsichtig, «ergibt es keinen Sinn, dass er sein eigenes Schiff überfällt.»
«Nun, wenn man bedenkt, dass er bei Verlust der Waren mit einer hohen Summe rechnen kann, die de Beerte direkt an ihn zahlen muss …», setzte Siegfried an, doch sie unterbrach ihn.
«Glaubt Ihr wirklich, er würde so ein Risiko eingehen?»
Wieder warfen die beiden Männer einander einen kurzen Blick zu, und sie bemerkte, dass der alte Thal seinem Sohn fast unmerklich zunickte.
«Für risikofreudig halte ich ihn allemal», befand Siegfried, der gewinnend lächelte. «Immerhin hört man, dass er auch Euch eine erkleckliche Summe geliehen haben soll, damit Ihr damit Waren einkaufen könnt.»
«Das habt Ihr also gehört. Darf ich fragen, von wem?», gab Luzia etwas spitzer zurück, als sie vorgehabt hatte.
Siegfried lächelte unvermindert weiter. «Ach, wisst Ihr, Luzia, solche Dinge sprechen sich einfach
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