Die Gewürzhändlerin
entdeckte. «Augenblick mal.» Er ließ den verblüfften Alban am Stand zurück und steuerte auf die junge Magd zu, die sich gerade angeregt mit ihrem Begleiter unterhielt. Als Martin näher kam, erkannte er, dass es sich um ihren Bruder handelte. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. «Jungfer Luzia!»
Als sie so unvermittelt ihren Namen hörte, blieb Luzia stehen und sah sich überrascht um. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus, als sie den Kaufmann mit einem breiten Lächeln auf sich zukommen sah. «Herr Wied.» Sie blieb stehen. «So eine Überraschung. Ich dachte, Ihr seid zu beschäftigt für einen müßigen Gang über den Jahrmarkt.»
Martin nickte ihr zu. «Dem ist auch so. Derzeit bin ich sogar derart beschäftigt, dass ich Euch um einen Gefallen bitten möchte.»
«Was für einen Gefallen?» Misstrauisch erwiderte sie seinen Blick.
Martin wandte sich ein wenig um und deutete hinter sich. «Sehr Ihr meinen Stand dort drüben, in der Nähe des Heuhauses?»
Luzia nickte.
«Wäre es Euch möglich, für eine oder zwei Stunden darauf achtzugeben?»
Luzia starrte ihn an. «Auf Euren Verkaufsstand?»
«Mein Knecht Alban wird Euch zur Seite stehen. Ich muss dringend einen sehr wichtigen Kunden aufsuchen, vielmehr einen potenziellen Kunden. Mein Bruder ist unterwegs. Ich müsste den Stand für heute abbauen. Ihr versteht sicher, dass ich das nicht möchte.»
«Wie kommt Ihr auf die Idee, ich könnte mich um Euren Verkaufsstand kümmern?», fragte Luzia, noch immer fassungslos. «Ich habe keine Ahnung von Wein …»
«Ich verkaufe dort nur Gewürze.»
«Seht Ihr, von Gewürzen verstehe ich noch viel weniger.»
Martin blickte sich ungeduldig um. «Jungfer Luzia, Ihr könnt doch lesen, nicht wahr?»
«Natürlich, das wisst Ihr doch.»
«Ich schicke Euch eine meiner Mägde mit meinen Aufzeichnungen über die Preise meiner Waren. Könnt Ihr ein bisschen rechnen?»
Luzia kräuselte die Lippen. «Sicher.»
«Gut, mehr braucht es nicht.» Er holte Luft und sah sie eindringlich an. «Bitte, Jungfer Luzia, es ist wirklich sehr wichtig für mich, diesen Kunden aufzusuchen. Ihr seid die einzige Person, die über ausreichend Fähigkeiten verfügt, meinen Verkaufsstand zu betreuen. Es wird bestimmt nicht länger als zwei Stunden dauern. Und seht Euch um, im Augenblick sind kaum hochgestellte Personen hier. Also braucht Ihr Euch wahrscheinlich gar keine Sorgen um den Verkauf zu machen. Falls doch, benutzt die Liste. Alban wird Euch die einzelnen Gewürze erklären.» Sein Blick wanderte zu Anton, der dem Gespräch mit offenem Mund und ungläubiger Miene gelauscht hatte. «Und um noch etwas muss ich Euch bitten, Luzia.»
«Noch etwas?»
«Ich brauche einen kräftigen Burschen, der mich begleitet.»
Luzia blickte ebenfalls zu Anton. «Ihr wollt, dass Anton mit Euch geht?»
«Andernfalls kann ich Alban nicht bei Euch zurücklassen.»
«Aber …» Luzia schluckte. Sie fühlte sich vollkommen überrumpelt. Unwillkürlich fasste sie an die Stelle, an der unter ihrem Kleid das Kruzifix verborgen war. Sie hatte sich am Vortag entschlossen, es wieder zu tragen, da es sich inzwischen vollkommen beruhigt zu haben schien.
Martin hatte ihre Geste bemerkt und lächelte erneut. «Ihr tragt es, ja?»
«Ich …»
«Tut mir den Gefallen, Luzia. Ich versichere Euch, es kann nichts Schlimmes geschehen. Alban ist bei Euch, und vermutlich werdet Ihr Euch lediglich die Beine in den Bauch stehen.»
«Also …» Luzia zögerte noch immer, folgte Martin jedoch, als dieser sich umdrehte und zu seinem Stand zurückkehrte.
«Luzia, willst du das wirklich machen?», flüsterte Anton aufgeregt. «Das geht doch nicht. Ich will nicht mit ihm irgendwohin gehen.»
Irritiert sah sie ihrem Bruder ins Gesicht.
Er verzog kläglich die Miene. «Du weißt schon, er ist irgendwie unheimlich.»
«Anton!», raunte sie mahnend zurück. «Hüte deine Zunge.»
«Seht Ihr, hier sind die Gewürze», begann Martin hastig zu erklären. «Unter dem Tisch findet Ihr mehr. Hier ist auch der Sack mit den Mandeln. Und eine Kiste mit Ingwerwurzeln. Die sind dieses Jahr sehr begehrt, aber nur wenige können sie sich leisten. Alban wird Euch alles Weitere zeigen. Ich schicke meine Magd mit der Liste zu Euch.» Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um und griff nach dem Schlüsselbund an seinem Gürtel. Einen der Schlüssel hakte er los und reichte ihn ihr. «Unter dem Tisch in der
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