Die Gewürzhändlerin
kleinen Kiste ist meine Geldkassette.»
Luzia sah ihn mit großen Augen an.
Er nickte ihr zu. «Nur für den Fall, dass Ihr doch die eine oder andere Kleinigkeit verkauft.» Als sie nicht reagierte, nahm er energisch ihre Hand und drückte den Schlüssel hinein. «Ich danke Euch, Luzia. Ich danke Euch sehr.» Er winkte Anton, ihm zu folgen. «Komm, Junge, wir haben es eilig.»
«Äh …» Anton warf Luzia einen fragenden Blick zu, den sie mit einem unsicheren Nicken erwiderte.
Anton zog verstimmt die Stirn kraus, folgte dann aber gehorsam dem Kaufmann.
Luzia blickte den beiden nach, bis sie im Gewühl verschwunden waren, und drehte sich dann zu Alban um, der sie neugierig musterte.
Er deutete eine Verbeugung an. «Ihr seid die Leibmagd der Gräfin Elisabeth, ja?»
«Die bin ich.»
«Und Ihr könnt lesen und rechnen?» Die Verwunderung war deutlich aus der Stimme des Knechtes herauszuhören. «Mein Herr muss ja ein tolles Vertrauen in Euch haben, dass er Euch seinen Stand anvertraut. Verzeihung.» Er zog kurz den Kopf ein, wohl weil ihm die Ungezogenheit seiner Worte bewusst wurde. Als Luzia jedoch nicht gekränkt reagierte, sprach er weiter: «So was hab ich meiner Tage noch nicht erlebt. Aber Herr Wied ist ja derzeit in arger Bedrängnis und …»
«Was für eine Bedrängnis?», hakte Luzia rasch nach, denn sie erinnerte sich an die Gesprächsfetzen, die ihr während des Abendessens in Wieds Haus zu Ohren gekommen waren.
Alban zögerte, schien dann aber zu beschließen, dass Luzia vertrauenswürdig war. «Er hat eine Menge Geld bei Muskin, dem Juden, leihen müssen, weil sein jüngerer Bruder die Geschäfte in den vergangenen zwei Jahren schlecht geführt hat. Nein, nicht schlecht geführt. Konrad war einfach überfordert. Er ist kein so guter Kaufmann. Ist er noch nie gewesen. Ihm sind etliche Kunden abgesprungen oder von Thal abgeworben worden …»
«Thal?»
«Ulrich Thal», erklärte Alban. «Unser … Herrn Wieds größter Konkurrent. Eine Schlange, wenn Ihr mich fragt. Und mein Herr hat jetzt alle Hände voll zu tun, das Geschäft zu retten.»
«Hat er denn keinen Gehilfen?»
«Den letzten hat er mit nach Italien genommen, aber nicht wieder mitgebracht. Es fehlt ihm an helfenden Händen. Auch einen Lehrjungen sucht er. Aber jetzt während des Jahrmarktes kann er sich ja nicht auch noch darum kümmern.»
«Ich verstehe.» Nachdenklich blickte Luzia auf die Ansammlung von Kästchen, Schalen und Krügen auf dem Tisch.
Alban trat näher heran. «Soll ich Euch jetzt die Gewürze erklären, Jungfer Luzia?»
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8. Kapitel
D u bist ein gescheiter Junge, Anton», lobte Martin auf dem Rückweg vom Gasthof
Zum Spieß
, der in direkter Nähe des St. Kastorhofes und des Deutschen Ordens lag. Tatsächlich gehörte das Wirtshaus samt Herberge dem Deutschen Orden; Spieß war nur der Pächter. Das Gespräch mit ihm und dem erzbischöflichen Hofmeister Sarrazin war sehr erfolgreich verlaufen, entsprechend zufrieden war Martin mit sich. Er klopfte Anton auf die Schulter. «Gewiss hat unser kleiner Ausflug dich hungrig gemacht, nicht wahr? Es ist schon nach Mittag, also schlage ich vor, dass ich dir auf dem Markt etwas Essbares besorge. Eine Fleischpastete vielleicht?»
Anton, der bisher sehr schweigsam gewesen war und gehorsam den großen Handkarren vor sich hergeschoben hatte, blickte überrascht zu Martin auf. «Das ist freundlich, Herr. Ich habe wirklich Hunger.» Eine leichte Röte überzog die Wangen des Jungen. Schnell sah er zur Seite.
«Dann wäre das also abgemacht.» Martin lächelte. «Du und deine Schwester, ihr habt mir aus einer argen Klemme herausgeholfen.»
Anton zog die Nase ein wenig kraus. «Luzia war aber nicht froh darüber.» Er biss sich auf die Lippen. «Ich … äh, also ich mein …»
«Ich weiß schon, Anton. Ich habe sie ziemlich überrumpelt. Dich ebenfalls. Das ist sonst nicht meine Art. Aber Luzia ist sehr klug – kann lesen, ein bisschen rechnen anscheinend auch. Ich wünschte, ich hätte einen Gehilfen, der diese Fähigkeiten besitzt.»
«Ich kann auch lesen, Herr», rutschte es Anton heraus, noch bevor er nachdenken konnte. «Das ist doch gar nicht schwierig.» Als ihm bewusst wurde, was er da gerade offenbart hatte, vertiefte sich die Röte auf seinem Gesicht noch, und er senkte rasch den Kopf.
«Du kannst lesen?» Verblüfft starrte Martin ihn von der Seite an. «Wie kann das …? Natürlich. Sie hat es dir beigebracht, nicht wahr?
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