Die Gewürzhändlerin
stand fest.
Der Buchbinder bemerkte ihren Blick und beugte sich ein wenig vor. «Soll ich Euch dieses hier näher zeigen? Zurücklegen vielleicht? Es enthält sehr erbauliche und zur Andacht geeignete Geschichten über Heilige und Märtyrer. Ein einzigartiges Geschenk, möchte ich sagen.»
Luzia seufzte innerlich. «Ein andermal vielleicht. Ihr seid bis zum Ende des Jahrmarktes hier?»
Der Buchbinder nickte eifrig, da er wohl noch immer ein Geschäft witterte. «Aber ja, edle Jungfer. Stets zu Euren Diensten.»
«Dann werde ich später noch einmal herkommen.» Luzia winkte ihrem Bruder zu, der sich etwas gelangweilt in der Nähe herumdrückte. «Komm, Anton, lass uns weitergehen und schauen, was uns sonst noch geboten wird.»
* * *
Schräg vor dem erzbischöflichen Heuhaus hatte Martin Wied seinen Verkaufsstand aufgebaut. Dieser begehrte, strategisch günstige Platz war schon zu Lebzeiten seines Vaters der Familie Wied angestammt gewesen. Martin bezahlte eine ordentliche Summe an den Rat, um diese Tradition aufrechtzuerhalten. Mit wachsamem Blick stand er hinter dem breiten, mit einem festen hölzernen Dach überbauten Tisch, auf dem in Säckchen, Schalen und Kästchen diverse orientalische Gewürze aufgereiht waren. Auch Mandeln bot er feil; von seiner Reise hatte er einen ordentlichen Vorrat mitgebracht.
Früher hatte er befürchtet, seine körperlichen Entstellungen könnten die Kunden auf einem Jahrmarkt abschrecken, doch mittlerweile wusste er, dass die Leute gerade zu solchen Anlässen offenbar nicht nur exotische Waren erwarteten, sondern sich von ungewöhnlichen Gestalten geradezu angezogen fühlten. Da sein Gesicht glücklicherweise von den Flammen verschont worden war und er zudem über vorzügliche und einnehmende Manieren verfügte, konnte er sich über einen Zustrom an betuchten Marktbesuchern freuen. Oftmals waren es die Ehefrauen von Patriziern oder Adligen, die nach ausgewählten Gewürzen für ihre Küche suchten, oder aber deren Verwalter oder Köche.
Am heutigen Vormittag schienen allerdings mehr Menschen niederer Stände auf den Florinshof zu drängen. Mit forschendem Blick hielt Martin Ausschau nach potenziellen Kunden und überlegte dabei, ob er am Nachmittag noch einmal versuchen sollte, Willem Leyen abzupassen, den letzten der Miteigner der
Ludwina
, den er bisher noch nicht angetroffen hatte.
Überrascht bemerkte er Alban, der sich mit Ellenbogengewalt durch das Gewühl drängte und auf seinen Stand zustrebte. «Herr! Eine Nachricht, Herr!» Der Knecht hielt ihm keuchend ein mehrfach gefaltetes Schreiben hin. «Es kommt vom Gasthof
Zum Spieß
und ist dringend, soll ich Euch ausrichten. Ich bin gerannt, so schnell ich konnte.»
«Schon gut, Alban. Danke.» Martin wies auf den Krug mit Wasser und den hölzernen Becher hinter dem Stand, und Alban bediente sich dankbar.
Neugierig faltete Martin den Brief auseinander und las ihn mit gerunzelter Stirn. Dann blickte er sich um. «Alban, weißt du, wo Konrad im Augenblick ist?»
Der Knecht nickte. «Er ist vor ungefähr einer Stunde aufgebrochen, die Weinlieferung für Trutwyns auszuliefern. Danach, so sagte er, wolle er noch zwei Kunden außerhalb der Stadt aufsuchen, wie Ihr es ihm aufgetragen hattet.»
«Verflucht!»
«Verzeihung, Herr?»
Martin blickte erneut auf den Brief. «Der erzbischöfliche Hofmeister, Peter Sarrazin, ist gerade bei Spieß abgestiegen und hat Interesse an einem Lieferabkommen mit mir geäußert. Ich müsste sofort dort hingehen, kann aber jetzt hier nicht weg. Wenn Thal davon Wind bekommt, wird er versuchen, sich diesen Fisch zu angeln, ganz gleich, ob er sich mit Spieß überworfen hat oder nicht.» Martin fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine kurzen dunkelroten Locken. «Ich könnte Mutter bitten, auf den Stand achtzugeben …»
«Frau Augusta ist ebenfalls ausgegangen.»
Martin zog die Brauen zusammen. «Ausgerechnet heute? Na, wunderbar.»
«Ich kann auf die Waren aufpassen, Herr. Das habe ich schon oft getan», bot Alban eifrig an.
«Hm, ja.» Nachdenklich blickte Martin seinen Knecht an. «Das muss wohl gehen. Allerdings bittet Spieß darum, einige Waren und ein Weinfass mitzubringen. Ich benötige jemanden … Hat Konrad die anderen Knechte mitgenommen?»
Alban nickte erneut.
«Dann brauche ich deine Hilfe bei Spieß. Das bedeutet wohl, dass ich hier für heute einpacken kann. Es passt mir zwar nicht, aber …» Er stockte, als er in der vorbeiflanierenden Menschentraube Luzias Gesicht
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