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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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aller Stände mischten sich zu einer riesigen bunten Menschentraube, die sowohl die Schilder- als auch die Mehl- und die Dechantsgasse verstopfte.
    Je näher Luzia und Anton dem Marktgeschehen kamen, desto lauter wurde das Stimmengewirr. Irgendwo hörte man ein paar Hunde wild kläffen, Schafe blökten, Ziegen meckerten. Gleich am Rand des Florinshofes hatte sich ein Bauer einen Stand aufgebaut, an dem er sowohl frische Eier als auch lebende Hühner und Hähne in Käfigen feilbot. Die Vögel gackerten und krähten schrill und wurden nur noch von der Schar schnatternder Gänse übertönt, die ein kleines Mädchen gerade mühsam mit einem langen Stecken in eine Seitengasse trieb.
    Marktschreier bemühten sich, einander in der Lautstärke zu überbieten. Sie priesen Kohl, Äpfel, Tonwaren, Stoffe oder auch Holzwaren an. Einige Männer der Stadtwache hatten sich um den Stand eines Sarwürkers aufgebaut und begutachteten die ausgestellten Kettenhemden und Helme. Gleich daneben hatte sich ein Krapfenbäcker postiert, aus dessen Pfannen es verführerisch duftete. Wenige Schritte weiter befanden sich die Stände diverser Garküchen und weiterer Bäcker. Luzia lief bereits das Wasser im Mund zusammen, obgleich sie vor ihrem Aufbruch etwas Brot und Käse gegessen hatte. Ein Blick auf Anton sagte ihr, dass auch er liebend gerne einen fettigen Krapfen oder eine warme Fleischpastete gegessen hätte. Sie stieß ihn an und bedeutete ihm, ihr zunächst weiter über den Florinshof zu folgen. Sie hatte einen Stand mit Büchern entdeckt, den sie sich näher ansehen wollte.
    Anton verdrehte die Augen, folgte ihr jedoch ohne Protest. Seit er lesen gelernt hatte, zog es auch ihn hin und wieder zu einem Buch. Viel Auswahl gab es natürlich nicht. Elisabeth besaß eine Reihe erbaulicher Sagen über Märtyrer sowie ein Büchlein mit Ratschlägen für Eheweiber. Letzteres war natürlich nichts für einen halbwüchsigen Jungen. Da nahm er sich mit Luzias Erlaubnis lieber schon einmal deren Bücher über Mathematik vor. Diese zu verstehen war zwar schwierig, aber mittlerweile hatte er zumindest etwa die Hälfte der Rechenoperationen im
Liber Abbaci
begriffen.
    Er hob den Kopf und stieß seine Schwester an, als irgendwo in der Nähe ein Trommelwirbel erklang. Jemand stieß in ein Horn, Augenblicke später erklangen zwei Fideln in einer munteren Weise. Zwei Frauenstimmen sangen dazu. Luzia nickte ihrem Bruder lächelnd zu und überließ ihm die Führung. Dicht hinter ihm drängte sie sich in Richtung der Gaukler. Die Bücher konnten warten. Für Musik und Gesang hatte Luzia eine ähnliche Schwäche wie für Mathematik.
    Nachdem sie es bis in die zweite Reihe geschafft hatten, sahen sie die Sängerinnen, beides Frauen mittleren Alters, die zugleich die Fideln spielten. Ein kleinwüchsiges Kerlchen mit feuerrotem Haar schlug die Trommel dazu und hüpfte dabei fröhlich von einem Bein aufs andere. Die Zuschauer ringsum jubelten und klatschten begeistert.
    Eine ganze Weile sahen Luzia und Anton dem bunten Treiben der Gaukler zu. Als das Gedränge jedoch immer unangenehmer wurde, bedeutete Luzia ihrem Bruder, zurück zu dem Bücherstand zu gehen.
    Der Buchbinder kam ihr bekannt vor, und nach einer Weile erkannte sie, dass es derselbe Mann war, bei dem sie einst in Ahrweiler ihre beiden Bücher erstanden hatte. Zwar erkannte er sie nicht, war aber heute wesentlich höflicher und zuvorkommender als damals. Offenbar hielt er sie für eine hochgestellte Jungfer, die mit ihrem Knecht unterwegs war. Luzia ließ ihn in dem Glauben und blätterte in einigen der Bücher, während sie den Erklärungen des Mannes lauschte.
    Französische Gedichte und Heldenballaden bot er ihr an, doch damit konnte sie nichts anfangen. Das aufwendig illuminierte Buch mit Heiligengeschichten in deutscher Sprache erschien ihr viel zu teuer. Auf ihre Frage nach einem Werk von Ockham oder Bradwardine schüttelte der Buchbinder verwundert den Kopf.
    «So etwas habe ich im Augenblick nicht da», erklärte er. «Seid Ihr sicher, dass Ihr so etwas sucht? Soll es ein Geschenk für einen Gelehrten sein? Die
Geometria
von Bradwardine ist ein außerordentlich schwieriges Werk. Nur die wenigsten haben lange genug studiert, um sie zu verstehen. Ein
Liber Abbaci
könnte ich wohl bis Ende der Woche besorgen, wenn ich Euch damit einen Gefallen tun kann.»
    Bedauernd schüttelte Luzia den Kopf und schielte noch einmal zu dem Buch mit den Heiligenlegenden hinüber. Viel zu teuer, dachte sie; das

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