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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Hölle heißmachen, wenn ihr etwas nicht passt.»
    * * *
    Eigentlich hätte Martin mit sich zufrieden sein müssen. Als er jedoch kurz nach Mitternacht das Dirnenhaus
Zur Schlange
in der Badstubengasse verließ und zielstrebig in Richtung Kastorgasse marschierte, war er alles andere als gut gelaunt. Er hatte den Geschäftsabschluss mit Sarrazin feiern wollen und sich dazu für Klarissas Haus entschieden, denn dort, so wusste er, gab es gefällige Unterhaltung und guten Wein – Letzteren lieferte er schließlich höchstpersönlich an das Bordell. Die Gerlies hatte sich auch redlich Mühe gegeben, ihm zu Gefallen zu sein. Wenn er das Dirnenhaus aufsuchte, ging er meistens zu ihr. Gerlies war nicht mehr jung, bereits einige Jahre über dreißig. Ihre Reize waren bereits leicht verbraucht, wenngleich sie nach wie vor eine schlanke Figur und weiche Rundungen an den richtigen Stellen besaß. Unter der dicken Schicht Reispuder in ihrem Gesicht konnte man jedoch deutlich erste Falten sehen, die Spuren ihres anstrengenden und nicht eben einfachen Lebens. Dennoch mochte er sie, denn sie war eine der wenigen Frauen, die nicht vor seinen Entstellungen zurückschreckten. Entweder machten sie ihr tatsächlich nichts aus, oder die nicht zu knapp bemessenen Münzen, die er ihr als Liebeslohn überließ, bewirkten bei ihr eine vorübergehende Blindheit. Was es auch war, letztlich konnte es ihm gleich sein. Sie war eine erfahrene Hübschlerin, die wusste, was ihre Freier wünschten.
    Heute allerdings war Martin zu abgelenkt gewesen, um ihre Bemühungen wirklich zu schätzen zu wissen. Das hatte dazu geführt, dass er sich jetzt nicht angenehm müde und entspannt fühlte, wie er geplant hatte, sondern verärgert und nervös. Inzwischen verfluchte er die Ereignisse des vergangenen Tages. Natürlich nicht den Vertrag mit Sarrazin, der war ihm wie gerufen gekommen. Aber die hirnrissige Idee, ausgerechnet diese vorlaute Magd um Hilfe zu bitten, lag ihm schwer im Magen. Einen Rückzieher konnte er freilich jetzt nicht mehr machen. Elisabeth hatte ihre Zustimmung bereits gegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ihm auch als guter Einfall erschienen. Betrachtete man ihn vom rein praktischen Standpunkt aus, war er das auch immer noch. Doch schon auf dem Weg nach Hause und kurz darauf in die Badstubengasse hatte sich in seine Überlegungen immer aufdringlicher die Frage gedrängt, ob seiner Idee wirklich nur geschäftliche Motive zugrunde lagen. Vor seinem inneren Auge sah er ganz deutlich Luzia mit ihren hübschen rotgoldenen Locken und den klaren blauen Augen, die heute Mittag geradezu zornige Blitze auf ihn abgeschossen hatten. Wie konnte es sein, dass eine derart ungezogene, anmaßende Frau ihn so fesselte?
    Martin knirschte mit den Zähnen. Er wusste die Antwort natürlich längst. Es war gerade Luzias unerschrockene, vorlaute Art, die seine Aufmerksamkeit weckte. Wenn er nicht achtgab, würde sie ihn dazu verleiten, sein wohlgezügeltes Temperament, welches ihm in seiner Jugend nicht selten zum Verhängnis geworden war, allzu sehr fahrenzulassen. Besser war es ganz gewiss, sich so weit wie nur irgend möglich von ihr fernzuhalten. Himmel, sie war die Tochter eines Bauern! Und sie verabscheute ihn – zumindest sein Äußeres. Ihr entsetzter Blick, als er sie heute am Arm zurückgehalten hatte, war ihm durch und durch gegangen. Er hatte gedacht, dass er nach all den Jahren gegen solcherart Reaktionen immun sei. Normalerweise ließ er sie an sich abprallen, ging mit einem Lächeln darüber hinweg und bemühte sich, sein Gegenüber, wenn schon nicht durch ein gefälliges Äußeres, so doch wenigstens mit ausgesuchten Manieren und sorgfältig gewählten Worten für sich einzunehmen.
    Bei Luzia schien ihm das nicht zu gelingen. Von seinem Benehmen schien sie unbeeindruckt; schlimmer noch, sie reizte ihn dazu, unbedacht zu sprechen und zu handeln. Das allein war schon ein guter Grund, sich nicht zu sehr mit ihr abzugeben. Dummerweise schien sich jedoch etwas in ihm gegen diese klugen und vernünftigen Argumente zu wehren. Was genau es war, das ihn offenbar zu ihr hinzog, wollte er lieber nicht ergründen. Wozu sollte es auch gut sein, darüber nachzudenken? Sie war eine niedrig geborene Leibmagd, er hingegen ein wohlhabender, erfolgreicher und einflussreicher Kaufmann.
    Nun gut, zumindest war sie eine außergewöhnlich gebildete Magd. Welche Frau konnte schon in Bruchteilen rechnen – noch dazu ohne Rechenbrett – und hatte Bradwardine

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