Die Giftmeisterin
selbst.«
»Ihr seid so enge Freundinnen geworden, dass sie dir vermutlich jeden Gefallen tun würde.«
Wir tauschten einen Blick. Emma wusste gut, wovon ich sprach, und sie wusste, dass ich es wusste.
»Hältst du es für klug, vor unserer kleinen Unschuld darüber zu sprechen?«
Mit der kleinen Unschuld meinte Emma nicht ihre kleine Tochter, sondern Gerlindis. Ich hatte ohnehin nicht vorgehabt, das Thema zu vertiefen, aber immerhin wusste ich nun Bescheid. Da Emma sofort verstanden hatte, wovon ich sprach, war zumindest eines der Attentate auf mich von Gersvind - in Emmas Auftrag - verübt worden. Entweder hatte Gersvind mein Pferd mit einem Blasrohr beschossen
- womöglich eine sächsische Jagdmethode? -, oder sie war die Reiterin gewesen, die mich attackiert hatte. Vermutlich steckte sie hinter beiden Anschlägen. Doch wieso hatte Gersvind sich darauf eingelassen? Wirklich nur aus Freundschaft? Und warum hatte Emma sich soeben nach ihr erkundigt?
»Ãbrigens«, sagte Emma, »ich bin schwanger.« Sie grinste mich an, wohl wissend, wie sehr sie mich verletzte. »Im vierten Monat. Bei mir sieht manâs spät, dafür kommen meine Kinder gesund zur Welt. Warum siehst du mich so verdutzt an? Hat Arnulf dir nichts erzählt?«
»Nein.«
»Das hat er wohl vergessen. Nun ja, du hast damit eigentlich ja auch gar nichts zu tun. Gibst du mir bitte die Linsen.«
Den Ton freundlicher Garstigkeit behielt Emma mir gegenüber auch noch bei, als Arnulf kam. Er hatte sich umgezogen. Für Emma wollte er der Gesunde, Kräftige, Edle sein. Die Tunika stand ihm besser als die Decke und das Fell, die er eben noch getragen hatte, aber ich hatte ihn siebenundzwanzig Jahre lang geliebt, wie er war, und ich wäre nicht weniger stolz und froh gewesen, seine Frau zu sein, wenn er im Zustand gröÃter Erbärmlichkeit vor mir erschienen wäre. Wir haben uns in der Verzweiflung beim Verlust unserer Kinder gesehen, wir haben uns im Hungerjahr 793 halb verhungert und verdreckt gesehen, wir haben die Sonne und den Regen miteinander geteilt, die Kriege und die Feste, den Schmutz und das Lachen.
Er mimte vor Emma den Starken. Es war keine Rede mehr von Kopfschmerzen und Ermüdung. Das hätte ich verstanden, wenn die beiden sich erst vor einigen Wochen oder Monaten zum ersten Mal begegnet wären. Aber sie waren
mittlerweile seit drei Jahren zusammen, hatten ein gemeinsames Kind, bekamen ein zweites, und noch immer spielten sie sich etwas vor. Sie war Circe, und er war Odysseus. Sie war dabei, ihn zu verändern, und mit jedem Tag, der verging, würde er ein Stück weniger mein Arnulf sein und ein Stück mehr zu ihrem Arnulf werden. Was ich letzte Nacht im Ehebett erlebt hatte, war nur ein Vorgeschmack auf das, was mir bevorstehen würde - wäre nicht das Ende nah.
Ja, es war nah. Durch die Maske des Heldenstücks, das er aufführte, hindurch sah ich, wie der Tod sich seiner bemächtigte. Arnulfs Stimme klang belegt, er hustete, und die Augenlider wurden ihm schwer. Als ich ihm weiteren Knoblauchsud anbot - der, zugegebenermaÃen, nicht geholfen hätte -, lehnte Emma für ihn brüsk ab, und er schloss sich kleinlaut ihrem Urteil an. Ich wurde von Emma zu einem verschrobenen, überspannten Mutterweib gemacht, und Arnulf schwieg. Emma beklagte sich über den Gestank, woraufhin ich den Sud vor die Haustür kippte. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich, dass Gerold, schwach beleuchtet vom Licht der Fackeln, langsam auf seinem müden Pferd das Tor in den Pfalzhof passierte und in Richtung der Stallungen verschwand.
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Bald darauf ging ich zu Bett, zusammen mit Gerlindis, die bei mir schlief, weil Emma ein Bett für ihr Töchterchen brauchte, das selbstverständlich nicht zwischen Arnulf und ihr schlafen durfte.
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Mitten in der Nacht wurde ich von Emma geweckt. Sie war auÃer sich. Arnulf war von starkem Husten und Fieber befallen worden, auÃerdem war er kaum in der Lage aufzustehen und klagte über Schwindel und Brustschmerzen.
Die Beine sind wie Gewichte, die Brust ist wie von einer gröÃer werdenden Blase gefüllt. Husten und Schwindel setzen ein. Fieber ist möglich, tritt jedoch nicht bei jedem auf. Der Arzt wird gerufen.
Ich schickte Gerlindis, den Arzt zu holen.
»Gott im Himmel«, rief Emma, »wenn er nun etwas Ansteckendes hat.«
»Das wäre nicht das erste Mal«, sagte ich.
»Ich
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