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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mir war nichts zu sehen, immer nur dann, wenn ich in den Spiegel sah.
    Ich stöhnte und stolperte einen Schritt zurück. Ich hörte ein Lachen und immer noch das Röcheln. Ich rang vergebens nach Atem. Es war, als gehorche mir mein Körper nicht mehr. Ich schlug mit beiden Fäusten mehrmals gegen meine Kehle und durchbrach die Blockade. Wie eine Ertrinkende schnappte ich nach Luft.
    Ich sagte: »Was habe ich getan?« Sagte: »Nein, nein, nein.« Brief: »Arnulf, Arnulf.«
    Da pochte es gegen die Tür. Hatte ich sie geschlossen? Ich stürzte zu ihr und riss sie auf. Trotz der Dunkelheit sah ich, dass ich allein im Gang stand.
    Das Röcheln nahm eine unerträgliche Lautstärke an. Ich wankte in Arnulfs Kammer. Dort saß noch immer Gerlindis. Als sie hörte, wie ich die Tür öffnete, blickte sie mich über die Schulter an. Sicherlich sah ich verstört und verängstigt aus, und ich bemerkte, wie Gerlindis sich zusammennahm, um nichts zu meinem Zustand zu sagen.
    Sie meinte bekümmert: »Er bekommt von Stunde zu Stunde schwerer Luft, Tante.«
    Ich nickte. Das Röcheln in meinem Kopf und das Röcheln, das vom Bett her kam, waren eins.
    Der Zustand wird lebensbedrohlich. Das Atmen fällt immer schwerer.
    Wie hatte ich das nur tun können? Ich war nicht mehr bereit, Arnulf gehen zu lassen.

    Â»Ich glaube trotzdem«, sagte Gerlindis, »dass er keine Schmerzen hat. Er liegt ruhig da.«
    Nein, keine Schmerzen. Arnulf litt nicht. Mein Leiden war größer als seines. Ich brauchte ihn. Ich brauchte ihn zum Leben.
    Fionee, dachte ich, Fionee muss mir helfen.
    Wortlos lief ich die Treppe hinunter in die Wohnhalle, wo Berta noch immer schlief, dann hinaus in die Nacht. Ich spürte die Kälte wie einen Schlag, trotzdem kehrte ich nicht um, um einen Mantel zu holen. Der Schnee war gefroren. Am Eingang des Wohnturms, ungefähr dreißig Schritte von mir entfernt, sah ich Gerold im Gespräch mit dem König im Licht zweier Fackeln stehen; er sah mich in Richtung Tor laufen, ich ignorierte ihn. Die Torwache staunte über meine leichte Bekleidung, und ich weiß noch, dass sie mir eine Frage stellte, auf die ich nicht einging. Die Wache gab mir eine Fackel. Ich verließ die Pfalz.
    Auf dem Weg zum Dorf lief ich schneller und schneller. Oft stolperte ich, da ich aber weich in den Schnee fiel, blieb ich unversehrt. Bei einem der Stürze jedoch glitt mir die Fackel aus der Hand, kullerte einen Abhang hinunter und blieb am Rande eines Wäldchens brennend im Schnee liegen. Die Nacht war mondlos. Ich sah nichts mehr. Also mühte ich mich den Abhang hinunter.
    Gerade als ich die Fackel ergriffen hatte, sah ich ein Augenpaar in dem dunklen Wald leuchten, zu hoch für einen Luchs oder einen Wolf, dann ein zweites, ein drittes, immer mehr, unzählige Augen, die sich mir näherten. In größter Furcht versuchte ich, den Abhang hinaufzuklettern, rutschte jedoch immer wieder ab. Jedes Mal, wenn ich mich umdrehte, waren die Kreaturen, von denen ich nur die Augen sah, näher gekommen.

    Sie begannen zu röcheln. Es war ein Röcheln wie aus tausend Kehlen. Die unsichtbaren Gestalten umkreisten mich, ihre Augen tanzten um mich herum, ihr Röcheln hallte durch die Nacht.
    Ich stach mit der Fackel nach ihnen.
    Â»Aufhören«, schrie ich, »hört damit auf, ihr Biester.«
    Es gelang mir schließlich doch noch, den Abhang hinaufzuklettern und auf den Weg zurückzufinden.
    Die Kreaturen verfolgten mich. Sie waren hinter mir, sie waren neben mir, sie erwarteten mich am Wegesrand, standen am Eingang des Dorfes, vor den Hütten, auf den Scheunen, in den Feldern, unter den Bäumen.
    Ich stolperte mehr, als ich lief. Ich stöhnte, weinte. Unter dem endlosen Röcheln brach ich fast zusammen.
    Als ich auf Fionees Hütte zustürmte und mit aller mir verbliebenen Kraft gegen die Tür hämmerte, war ich bloß noch ein Bündel aus Angst und Schrecken, zitternd vor Kälte, schreiend vor Wahnsinn.
    Die Kreaturen kamen näher. Schon glaubte ich, ihren Atem zu spüren.
    Da öffnete sich die Tür.
    Â 
    Ich taumelte in den Raum hinein, und sofort verstummte das Röcheln. Wärme legte sich auf meine Haut. Und doch konnte ich nicht aufhören, zu zittern und zu schreien. Die Stimme, die ich hörte, kam von weit her wie von einem anderen Flussufer, und Fionees Gesicht, das sich in mein Blickfeld schob, nahm ich nur

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