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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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dieses Niederschreiben schmerzt ebenso, wie es zugleich erleichtert. Ich stoße etwas aus mir hervor, betrachte es und denke verwundert: Das ist ein Teil von mir? Es muss wohl so sein. Ich bin tatsächlich diese Frau, die ihren Mann vergiftet hat und die nach dieser Tat noch andere schlimme Dinge vollbrachte. Ja, das ist Ermengard. Dieselbe Frau, die mehr als vierzig Jahre lang lachte und weinte, die zu neidloser Bewunderung und zärtlicher Liebe fähig ist, die Ängste und Sorgen hat wie jeder andere, deren Herz vor Mitleid überläuft, wenn sie arme und hungrige Kinder sieht, die aufrichtig betet und Freundschaften pflegt. Diese Frau, Ermengard, ist zugleich eine Mörderin und eine Furie. Und sie ist feige.
Kürzlich sagte Fionee, dass gute Menschen auch Böses tun und dass die Bösen auch Gutes tun. Ich bin ein Mensch irgendwo dort zwischen Gut und Böse, und es ist die Frage, wer den längeren Arm hat, um nach mir zu greifen, Gott oder der Teufel.
    Â 
    Langsam steigen die Worte in mir auf, die richtigen, entsetzlichen Worte, um zu beschreiben, was in den letzten drei Tagen vor dem Heiligen Abend, dem gestrigen Abend, geschah.

52
    ARNULFS ZUSTAND VERSCHLECHTERTE sich im Verlauf des Tages. Der Arzt kam. Da das Fieber statt zu steigen sogar gesunken war und die vielen Sude und Salben zwar den Auswurf förderten, ohne den allgemeinen Zustand zu verbessern, wusste er sich keinen Rat und ging wieder.
    Dann kam Berta. Sie hatte erst nach der Mittagsmesse von Arnulfs Erkrankung gehört und wollte helfen. Angesichts des schlafenden Arnulfs flüsterten wir miteinander. Sie ließ sich von mir auf den neuesten Stand bringen und brachte mich ihrerseits auf den neuesten Stand.
    Prinzessin Teodrada war erkrankt. Woran, das wurde nicht verlautbart, aber es hieß, die Erkrankung sei schwerwiegend. Man hatte das Kind in den Wohnturm gebracht, wo sie in den Gemächern der Königin von dieser und Prinzessin Hiltrud gepflegt wurde. Ich hätte sie selbstverständlich besucht, aber niemand durfte zu ihr, und so schossen die Gerüchte über Wesen und Gefährlichkeit der Erkrankung ins Kraut.
    Berta bot an, und ich stimmte zu, dass sie und Gerlindis mich für die nächsten Stunden ablösen würden. Ich hatte kaum geschlafen, und der Abschied von Arnulf strengte mich an.
    Â 
    Ich erwachte am Abend und ging sofort in Arnulfs Gemach. Gerlindis saß bei ihrem Onkel; sein Zustand hatte sich weiter
verschlechtert. Er röchelte bereits, wenngleich leise. Aber in diesem Geräusch lag so viel Untergang, dass ich es nicht aushielt und den Raum wieder verließ.
    Doch das Röcheln verfolgte mich. Gleichgültig, ob in der Wohnhalle, wo Berta auf einem Sessel schlief, oder in der Küche, wo ich mir einen Becher Wein holte, ich wurde das Geräusch des flatternden Atems nicht mehr los. Jeden Augenblick konnte ich Witwe, Mörderin, Verdammte werden.
    Ich ging in meiner Kammer auf und ab, hielt mir vergeblich die Ohren zu, verkroch mich unter der Decke, kam wieder hervor, nahm die Tierhaut vom Fenster und überließ mich dem Brausen des Windes. Aber nichts war mächtiger als das Geräusch des Sterbens.
    Ich erinnere mich nicht mehr, was mich dazu brachte, in Gerlindis’ Kammer zu eilen. War es wirklich dem Handspiegel aus geschliffenem Metall geschuldet - der mich schon vor einigen Nächten gelockt hatte -, dass ich das Zimmer erneut betrat? Mein Blick fiel tatsächlich auf den Spiegel und ich hob ihn hoch. Warum? Ich weiß es nicht. Um nachzuprüfen, ob mich noch immer dieselbe Frau anblickte wie in der Woche zuvor? Oder war in die schon lange mit Schatten gefüllten Augen inzwischen ein boshaftes oder gefährliches Glitzern getreten? War die Müdigkeit der Sünde gewichen? War die von Gott Betrogene zur Gottesleugnerin geworden? Ich war auf alles gefasst.
    Ich schrieb zu Anfang, dass es Erschrecken nur gibt, wenn etwas Unerwartetes eintritt, und ich schrieb gerade, dass ich auf alles gefasst war. Ich war nicht auf alles gefasst - und erschrak.
    Neben meinem Gesicht über meiner rechten Schulter erblickte ich eine furchterregende Fratze: rot glühend, halb
zerfetzt, mit Schlangen statt Haaren auf dem Kopf - eine Meduse.
    Der Spiegel glitt mir aus der Hand und fiel zu Boden, jedoch derart unglücklich, dass er zu meinen Füßen liegen blieb und ich, als ich nach unten sah, erneut die Fratze erblickte. Aber wohin ich mich wandte - neben

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