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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ich zwischen Selbstmitleid und Selbstbeschränkung schwankte, nahm ich an, dass es anderen Frauen mit demselben Schicksal ähnlich erging. Doch was dachten jene Frauen meines Standes, die viele Kinder hatten und eine zufriedenstellende Ehe führten, oder Frauen wie Gerlindis, die in der Ehe auf die immerwährende, unteilbare Liebe hofften? Galt ich als abschreckendes Beispiel? Sah sie in mir das, was ich in Berta sah?
    Â»Ich möchte nicht, dass diese Frau tagsüber mein Haus
betritt. Nachts kann ich nichts dagegen tun. Aber solange die Sonne am Himmel steht, brauche ich die Gewissheit, die Herrin dieser Räume zu sein.«
    Â»Es tut mir leid, Tante. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, als sie kam.«
    Ich nahm Gerlindis in die Arme. »Dich trifft keine Schuld, mein Kind. Wenn sie das nächste Mal versucht, bei Tag das Haus zu betreten, obwohl dein Onkel nicht da ist, richtest du ihr von mir aus, sie soll erst wiederkommen, wenn Arnulf nach ihr schickt.«
    Gerlindis blickte betreten ins Kohlenfeuer.
    Â»Ich weiß, der Umgang mit ihr kostet einige Überwindung«, fügte ich seufzend hinzu. »Aber wenn ich es kann, kannst du es auch.««
    Â»Ich muss dir etwas sagen, Tante.«
    Â»Nun?«
    Â»Ja, also, es ist so: Emma und ich sind vorhin ins Gespräch gekommen, und ich habe ihr von meinem Kummer wegen Grifo erzählt, und da hat sie mir versprochen, sich bei Onkel für mich - also für Grifo - einzusetzen.««
    Ich schwieg zunächst, brachte kein Wort heraus.
    Â»Verstehst du mich, Tante? Ich habe es doch nur getan, weil niemand sonst mir zuhört. Onkel hat mich weggeschickt, du hast mit mir geschimpft, und zu den Mahlzeiten musste ich im Zimmer bleiben und hatte keine Gelegenheit...«
    Â»Gerlindis.«
    Â»Wenn jemand bei Onkel ist, darf ich nicht mit ihm sprechen, und wenn er hier ist, darf ich auch nicht mit ihm sprechen. Aber er muss doch erfahren, dass...«
    Â»Gerlindis.«
    Â»Keiner tut etwas. Ich war bei Gerold gewesen, und er war
freundlich zu mir, aber er hat gesagt, ich soll Onkel seine Arbeit tun lassen, und wenn ich mich für Grifo verwenden will, so werde ich später noch...«
    Â»Gerlindis, hör mir bitte zu. Ich verstehe, dass du ungeduldig bist, aber das, was du zu sagen hast, ist keine Entlastung für Grifo.«
    Â»Ich finde, das ist es doch.«
    Â»Dein Onkel ist nicht auf den Kopf gefallen, er spricht seit Jahren Recht in der Pfalz Aachen. Und Emma ist die Letzte, die dir helfen kann.««
    Gerlindis fuhr auf. »Sie hat mir schon geholfen. Vielleicht kann sie wenig tun, aber wenigstens werde ich nicht andauernd von ihr gemaßregelt. Sie hört mir zu. Du sperrst mich weg.««
    Â»Ich habe dich nicht weggesperrt, sondern gestern Abend und heute Morgen gebeten, zu den Mahlzeiten in deinem Zimmer zu bleiben. Das war unter den Umständen das Beste, denn du wärst nicht in der Lage gewesen, vernünftig mit deinem Onkel zu sprechen.««
    Â»Hast du mit ihm für mich gesprochen?«
    Â»Noch nicht. Ich...«
    Â»Siehst du! Emma will etwas für Grifo und mich tun. Und du tust gar nichts, putzt mich nur herunter...« Gerlindis fing wieder an zu weinen, und noch bevor ich sie trösten konnte, rannte sie die Treppe hinauf.
    Mein erster Wunsch war, ihr zu folgen, und ich hätte es wohl auch getan, wenn nicht plötzlich Emma in der Halle gestanden hätte. Sie war aus der Küche gekommen, kaute auf einem frischen Stück Brot herum und grinste mich an. Ich wusste, wieso sie grinste. Nicht nur, weil sie mein Gebot missachtet hatte, das Haus zu verlassen. Sie grinste auch, weil sie einen Keil zwischen mich und meine Nichte trieb
und dabei einen ersten Erfolg verzeichnete. Ich hatte Emma unterschätzt. Sie war durchtrieben und rücksichtslos, eine Frau aus der Wildnis, die keine Moral kannte.
    Ich schlug ihr das Brot aus der Hand, gab ihr eine Ohrfeige, und packte sie, ehe sie etwas dagegen tun konnte, an den Haaren und zog sie zur Tür. Dort stieß ich sie hinaus und legte den Riegel vor.
    Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. »Aufmachen«, rief sie. »Aufmachen, mein Mantel ist noch da drin. Ich will meinen Mantel wiederhaben.«
    Ihr Mantel war mir gleichgültig. Zu ihrem Haus waren es nur wenige Schritte, sie würde sich nicht den Tod holen. Ein paarmal schlug sie noch gegen die Tür, dann gab sie es auf.
    Ich setzte mich ans Feuer. Nach und nach

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