Die Giftmeisterin
Prinzessinnen, deren Rang je nach Herkunft ein anderer war. Die Konkubinenkinder hatten es naturgemäà schwerer, vor allem, wenn ihre Mütter gestorben oder verstoÃen worden waren, aber auch unter den Königinnenkindern gab es Klüngel und Konkurrenz. Allerdings wahrte man, so gut es ging, nach auÃen den Anschein von Eintracht, und das auch nur aus dem Grund, den König nicht zu verärgern. (Karl hasst Dissonanzen zwischen seinen weiblichen Familienangehörigen. Während er seinen Söhnen eine gewisse Rivalität zugesteht, haben sich die Frauen zu vertragen, und es gelingt ihnen tatsächlich, ihn zu täuschen. Vielleicht sind sie die Einzigen im ganzen Reich, denen das gelingt.) Wer keine Frau war und nicht, wie ich, regelmäÃig das Frauenhaus besuchte, bekam von diesen Eifersüchteleien und dem Misstrauen nichts mit.
Die Szene, die sich mir an jenem Mittag beim Betreten des Bades des Frauenhauses bot, war beispielhaft.
Die Königin, Berta und ich waren die einzigen Frauen des Hofes, die nicht im Frauenhaus wohnten und das Bad
trotzdem benutzen durften (wobei Berta nie ins Bad kam). Gerlindis durfte dort nicht baden, von Emma gar nicht zu reden. Das Bad bestand aus einem quadratischen, vier mal vier Schritt groÃen Becken und war von einem kleinen, überdachten Hof umgeben, hinter dem sich die Räume des Frauenhauses befanden. Es bildete den Mittelpunkt des Hauses, sollte ein Saal des gesellschaftlichen Miteinanders und der Erholung sein, und oft war er das auch, je nachdem, wer sich dort aufhielt.
An jenem Mittag war vom Geist des Miteinanders nichts zu spüren. Es waren die beiden königlichen Konkubinen anwesend, und all die heiÃen Dämpfe, die aufstiegen, konnten nicht über die kalte Stimmung hinwegtäuschen. Ich war wegen einer der beiden, Mathilda, gekommen; man hatte mir gesagt, dass ich sie im Bad fände, und so hatte ich beschlossen, die Arbeit mit der Erholung zu verbinden. Das Wasser bis zum Kinn, saà sie im Becken. Sie hatte die Augen geschlossen und bemerkte mich erst, als ich mich nackt ins Becken gleiten lieà und leichte Wellen verursachte. Ich lächelte ihr freundlich zu, wohl wissend, von ihr nur die zarte, kaum sichtbare Andeutung eines Lächelns zurückzuerhalten. Mathilda war durch und durch adelig, mehr als ich es je sein werde, mehr als sonst jemand, den ich kenne. Sie stammte aus einer der ersten Familien der Ewigen Stadt, führte ihren Stammbaum bis in das vorchristliche Patriziat zurück und trug demzufolge mindestens acht Jahrhunderte in ihrem Gesicht zur Schau. Sie unnahbar zu nennen, wäre eine Untertreibung gewesen.
Sie trug ihre Haare geflochten und hochgesteckt, sodass sie eine Art schwarze Krone bildeten, und tatsächlich war ihr ganzes Wesen und Aussehen eher dazu geeignet, eine Königin darzustellen denn eine Konkubine. Karl hatte sie
schon vor mehr als fünfzehn Jahren von einem Feldzug »mitgebracht«; damals war Mathilda eine sechzehnjährige Jungfrau gewesen, gewissermaÃen ein Geschenk oder eine Opfergabe der stadtrömischen Bevölkerung. Möglicherweise hatten die Römer die Hoffnung gehabt, Karl würde Mathilda irgendwann heiraten, um eine römisch-fränkische Dynastie zu gründen. Doch diese Hoffnung hatte sich nie erfüllt, und Kinder waren auch nicht aus diesem Konkubinat hervorgegangen, was kaum verwundert, wenn man weiÃ, dass der König seine Mathilda allenfalls ein oder zwei Mal im Jahr besucht. Man fragt sich, warum der König sie behielt. Ich habe dafür nur eine Erklärung: Mathilda war im wahrsten Wortsinn die Verkörperung seines Machtanspruches auf Norditalien und Rom, ein Sinnbild seiner Stärke. Allein der Gedanke, jederzeit legal die Tochter einer uralten römischen Patrizierdynastie besteigen zu können, befriedigte ihn, und dass Mathilda sich derart würdeund hoheitsvoll zeigte, verstärkte diese Befriedigung wohl nur noch.
Auf der anderen Seite des Beckens, von Mathilda abgewandt, stand Gersvind und badete ihre fast zwei Jahre alte Tochter, eine Tochter des Königs, mit groÃer Zärtlichkeit. Ich hebe absichtlich diese Zärtlichkeit hervor, weil Gersvind ansonsten nichts Zärtliches an sich hatte. Denn in der Sächsin floss das Blut eines wilden Volksstammes, der bis vor kurzem noch heidnische Götter angebetet und die Freiheit bis aufs Blut gegen Karl verteidigt hatte - wenn auch letzten Endes vergeblich.
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