Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
auffordern, die Burg zu verlassen, spielte sie weiter die Verletzte.
Allerdings konnte es leicht sein, dass er die Geduld mit ihr verlor. Schließlich wusste sie dank ihrer Brüder, dass der männliche Geduldsfaden eher kurz gestrickt war. Wenn sie also nicht bald wusste, wie schlecht Calebs Laune nach dem Vorfall im Pferdestall jetzt war, würde sie vor lauter Nervosität noch die Felle durchlaufen, die am Boden lagen und für Gemütlichkeit sorgen sollten.
Ließ er sie mit Absicht so lange warten, um ihr eine Standpauke zu halten? Oder dachte er, die Warterei würde sie so zermürben, dass sie ihm ohne Widerspruch gehorchte? Gillian machte es vor allem nervös, und es schürte auch ihren Ärger, nicht zu wissen, ob er sie hinauswerfen wollte oder nicht. Also noch eine Runde über die weichen Felle, bei denen Gillian sicher war, dass man mittlerweile ihre Laufspuren erkennen konnte.
Genau wusste Gillian nicht, wie lange Caleb sie hatte warten lassen, aber draußen war es bereits dunkel, als er endlich zu ihr kam. Und ihr war immer noch nicht klar, ob sie die reuige Sünderin spielen oder wegen der sinnlosen Warterei aus der Haut fahren sollte. Noch kämpfte sie mit ihren unterschiedlichen Empfindungen und sah Caleb dabei nicht gerade freundlich an. Bis... bis sie ein leises Jaulen hörte.
Jaulen? Das konnte nicht sein! Caleb jaulte ganz bestimmt nicht! Aber das Geräusch kam eindeutig von ihm, auch wenn er keinen Ton von sich gegeben hatte. Und dann bewegte sich auch noch sein Lederwams.
„Wenn du hier drinnen irgendwo eine Pfütze hinterlässt, setze ich dich im Wald aus!“, drohte Caleb dem kleinen Bündel, das er unter seiner Oberbekleidung herauszog.
Ein kleines Häuflein Fell mit platter Nase in dem ebenso platten Gesicht jaulte erneut, dieses Mal angesichts des Wärmeverlustes. Gillian traute ihren Augen nicht. Wo hatte Caleb das Hundebaby her? Sie hatte auf der Burg bisher noch keinen einzigen Hund gesehen und war davon ausgegangen, dass Haustiere im Wohnbereich nichts zu suchen hatten. Denn auch die Katzen, die es hier gab, trieben sich nur in den Ställen herum und waren deshalb nicht gerade zutraulich.
„Was ist jetzt?“, wollte Caleb von Gillian ungeduldig wissen. „Nehmt Ihr dieses Fellknäuel endlich oder soll ich mich etwa darum kümmern?“
Diese Worte schreckten Gillian auf, und sie lief zu Caleb, nahm vorsichtig den kleinen Kerl entgegen und lächelte, als der ihr die Hand ableckte. Alle unangenehmen Überlegungen des Nachmittags waren vergessen.
„Habt Ihr Euch ein Haustier zugelegt, Caleb?“, wollte Gillian wissen, streichelte dabei das weiche Fell des Hundes und konnte ihre Augen gar nicht mehr von dem niedlichen Wesen abwenden. Darum sah sie auch nicht den zufriedenen Ausdruck, der über Calebs Gesicht huschte, ehe er todernst und mit ungeduldiger Stimme ihre Frage beantwortete.
„So etwas nennt Ihr ein Haustier, Gillian? Das ist doch nur ein kleines Häufchen Fell, das überall seinen Dreck hinterlässt.“
Gillian ließ sich von diesen Worten nicht daran hindern, jeden Zentimeter des kleinen Wesens zu streicheln. „Wo habt Ihr ihn denn her, Caleb?“
„Im Wald gefunden“, behauptete er. „Ich konnte ihn genauso wenig dort draußen lassen wie Euch.“
Gillian warf ihm einen skeptischen Blick zu und musste feststellen, dass seine ungehaltene Miene nicht ganz echt wirkte.
„Da ich zur Zeit immer nur irgendwelche Dinge im Wald finde, die scheinbar nirgends hingehören, könnt Ihr Euch wenigstens gegenseitig um euch kümmern! Also seht zu, dass das da keinen Unfug macht!“
Das da versuchte, es sich auf Gillians Arm möglichst bequem zu machen und schnüffelte dabei ganz interessiert an ihrem Umhang.
„Aber er muss doch irgendjemandem gehören“, wandte Gillian ein. Auch wenn es im Moment nicht so aussah, als ob sie den kleinen Kerl wieder hergeben wollte.
„Wenn Ihr Euch nicht darum kümmern wollt, dann bringe ich ihn dorthin zurück, wo ich ihn gefunden habe. Sicher muss er nicht lange leiden, und für die Wölfe im Wald ist er eine willkommene Zwischenmahlzeit.“
Bei diesen Worten drückte Gillian das Hündchen fester an sich. Sie wandte sich ein wenig zur Seite, als wollte sie mit ihrem Körper das Tier vor Caleb in Schutz nehmen.
„Ihr seid ein Rohling!“, beschuldigte sie den Hausherren.
Das ließ der nicht auf sich sitzen. „Ich hab ihn doch hergebracht“, verteidigte er sich. „Wenn Ihr Euch nicht darum kümmern wollt, weiß ich nicht, was ich sonst
Weitere Kostenlose Bücher