Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
richtig ein, und Gillian stand mit mehr Schwung auf als nötig gewesen wäre. Das ließ sie gegen Calebs Brust taumeln, der automatisch seine Arme um sie schloss, während er versuchte, sie beide zum Stehen zu bringen.
„Ach herrje“, lachte Gillian angesichts dieser fast missglückten Aktion. Und als sie zu Caleb aufsah, erwiderte der ihren Blick mit so viel Gefühl, dass Gillians Herzschlag kurz aussetzte. Doch der Augenblick hielt nicht lange an. Denn Caleb trat vorsichtig einen Schritt zurück, ließ aber Gillian erst los, als er sicher war, dass sie alleine stehen konnte.
Hätte er danach nicht tief ausgeatmet, hätte Gillian gedacht, der kurze gefühlvolle Blick wäre ein Produkt ihrer Einbildung gewesen. Aber da auch Calebs Stimme seltsam klang, als er erklärte, der Spaziergang wäre beendet, machte sich Gillian Gedanken.
Nur hundert Meter weiter, hinter einem Baum am Waldrand, hatte Reginald alle Hände voll zu tun, seinen Cousin Thomas daran zu hindern, sich kopflos aus seiner Deckung zu stürzen.
„Ich könnte diesen Bastard umbringen!“, schimpfte Thomas erbost. „Schön langsam, genauso lange, wie er uns von Gillian fern hält, würde ich ihn leiden lassen!“
„Warum?“, wollte Reginald wissen. „Für mich sah es so aus, als ob die beiden prächtig miteinander zurechtkämen.“
„Was weißt du schon!“, blaffte Thomas ihn an. „Wir liegen bei dieser schrecklichen Kälte jetzt schon drei Tage auf der Lauer. Und das ist das erste Mal, dass wir Gillian zu Gesicht bekommen haben. Ich bin mir sicher, er sperrt sie ein, bis sie ihm verspricht, was immer er auch will!“
„Findest du das nicht ein bisschen übertrieben, nur um eine Braut zu bekommen? Ravenwood hat es sicher nicht nötig, eine Frau mit Gewalt an sich zu binden.“ Da war Reginald anderer Meinung als sein Verwandter. „Du hast den Kerl nicht gesehen, als er wegen der Unterschrift nach Gildal gekommen ist. Dieser Ritter sieht so verdammt gut aus, dass er die Weiber eher von seiner Türschwelle stoßen muss, um sein Haus betreten zu können. Der braucht keine widerwillige Braut.“
Thomas hielt das für kein überzeugendes Argument. „Du siehst es einem Mann nicht an, ob er ein Sadist ist. Ich jedenfalls finde es reichlich seltsam, was er sich von Luther erzwungen hat, nur mit der Mitteilung, Gillian wäre in seiner Hand.“
„Ganz so hat er es nicht ausgedrückt“, versuchte Reginald bei der Wahrheit zu bleiben. „Im Grunde ist er ganz human mit der Sache umgegangen. Ein Jahr mit Gillian, an dessen Ende nur ihre Entscheidung zählt!“
Auch diese positive Abmachung pflückte Thomas auseinander.
„Genügend Zeit, um sie einzuschüchtern, zu misshandeln oder sie vielleicht sogar zu schwängern!“
Die letzte Möglichkeit ließ sogar Reginald erblassen.
„Kein Druck, so lautete das Versprechen, weder körperlich noch emotional.“ Doch nun war er selbst nicht mehr vollkommen davon überzeugt, dass Ravenwood sich an die Abmachung hielt.
„Ich verstehe sowieso nicht, wie es so weit kommen konnte. Verdammt noch mal! Wir haben Luther von Anfang an davor gewarnt, Gillian mit einer arrangierten Ehe zu überraschen. Er wusste doch, wie impulsiv sie sein kann!“
Thomas war frustriert. Und er war sich sicher, dass er, Theo und Thad Luther mit der Zeit noch zur Vernunft gebracht hätten. Aber jetzt steckten sie alle schon in dem Schlamassel, das Luther verursacht hatte. Und die arme Gilly musste es ausbaden.
Wenn sein ältester Bruder jetzt hier gewesen wäre, hätte er ihm eine geknallt. Ganz egal, ob er sich bei dem Versuch, ein bisschen Verstand in diesen Holzkopf zu prügeln, alle Finger gebrochen hätte. Thomas bedauerte eigentlich nie, nicht der Erstgeborene zu sein, aber ab und zu gab es doch Situationen, in denen er gerne die Entscheidungsgewalt gehabt hätte.
„Am besten wird sein, wir kehren erst einmal nach Gildal zurück. Dann können wir den anderen mitteilen, dass wir wissen, wo Ravenwood Gillian versteckt hat“, beschloss Thomas und traf damit eine Entscheidung, die Reginald entgegenkam.
Endlich konnten sie ihren ungemütlichen Posten vor Ravenwoods kleiner Jagdburg aufgeben. Wie es zu Hause weitergehen würde, das konnten sich die beiden leicht ausmalen. Für die nächsten Monate standen ihnen regelmäßige Ausflüge in diese Gegend bevor. Denn Luther würde es sich nicht aus der Hand nehmen lassen, wenigstens aus sicherer Entfernung über Gillian zu wachen.
Das waren sie ihrem Vater schuldig, der die
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