Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
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„Du wirst nicht irgendwelche gefährlichen Treppen steigen!“, verbot er. „Außerdem, willst du dich nicht vielleicht erst einmal um den Bruder kümmern, der schon da ist, bevor du dich auf die Suche nach denen machst, die noch fehlen?“
Dieses Ablenkungsmanöver hatte leider keinen Erfolg. Auch wenn Caleb durchaus recht hatte, dass sie sich erst noch um Thad kümmern sollte. Aber diese Aufgabe konnte sie genauso gut jemand anderen aufhalsen. Und die richtige Person dafür war auch schnell gefunden.
„Lady Flo!“, rief Gillian nach einer jungen Dame, die so aussah, als würde sie sich gerade auf der Flucht vor einem Verfolger befinden. Aber leider konnte sie den Ruf ihrer Gastgeberin nicht ignorieren. Sie musste zumindest sehen, was man von ihr wollte, ehe sie ihren Weg fortsetzten konnte.
„Was kann ich für Euch tun, Lady Gillian?“, lächelte die Angesprochene freundlich, sah sich aber dabei schon vorsichtig um, ob ihr vermeintlicher Verfolger näherkam.
„Seid doch so gut, und unterhaltet meinen Bruder Thad ein wenig. Ich muss nachsehen, wo der Rest meiner Brüder abgeblieben ist!“
Lady Flora warf einen Blick auf den Ritter und hatte keine Ahnung, warum und wie sie sich um ihn kümmern sollte. Der Mann sah nicht so aus, als würde er von irgendjemanden Hilfe benötigen. Aber Ritter, die ein Schwert führen konnten, waren zu Hause zu dumm, um sich selbst mit einem Pokal Wasser zu versorgen. Darum erfolgte ihr zustimmendes Nicken nicht gerade mit Begeisterung. Und als sich Lady Gillian und ihr Gatte entfernten, stieß Flora erst einmal einen tiefen Seufzer aus. Dann straffte sie ihre Schultern und versuchte sich als Gastgeberin.
Thad sah das Mädchen interessiert an, als sie etwas näherkam und sich überlegte, was zu der Aufgabe, sich um ihn zu kümmern, alles dazugehörte.
„Was darf ich für Euch bestellen, mein Herr? Wasser, Wein, etwas zu essen?“
„Ihr habt Euch umgezogen“, stellte Thad fest und nickte anerkennend. „Dieses helle Blau steht Euch besser, als das Dunkle! Aber ich muss sagen, Ihr wart ganz schön fix.“
Flora verstand kein Wort.
„Der Lady seid Ihr auch entkommen; gut gemacht!“
„Mein Herr“, begann Flora und überlegte, wie sie den Bruder ihrer Gastgeberin am besten in seine Schranken weisen konnte, ohne dass es zu unhöflich klang.
„Nennt mich ruhig Thad“, bot er ihr an. „Und um auf unser Gespräch von vorhin zurückzukommen, welchen Ravenwood hat Eure Mutter denn eigentlich geheiratet?“
Flora sah schon, dass es keinen Sinn haben würde die Sache zu erklären. Sie konnte sich an Hand seiner Worte vorstellen, was passiert war. Dieser fremde Ritter war einer ihrer Schwestern über den Weg gelaufen. Flora tippte auf Florentine. Die hatte überhaupt keine Berührungsängste gegenüber Fremden und erzählte einfach alles, was ihr in den Sinn kam. Und sie hatte für heute die undankbare Aufgabe erhalten, sich Lady Beata anzuschließen, die die Hausmägde beaufsichtigte.
Lady Beata fühlte sich irgendwie für sie alle verantwortlich, weil sie Sir Ranulfs älteste Schwester war und dazu unverheiratet. Und während ihre Mutter mit Sir Ranulf die ersten Ehemonate in trauter Zweisamkeit auf seiner Burg verbrachte, sah es die Lady als ihre Aufgab an, ihre neuen Nichten zu betreuen.
Als ob sie Betreuung nötig gehabt hätten! Aber um Sir Ranulfs Schwester nicht zu kränken, hatten die Schwestern beschlossen, dass zumindest eine sich jeden Tag opferte, und sich von ihr in die Geheimnisse eines großen Haushaltes einweihen ließ. Und heute war das Florentines Aufgabe. Aber es konnte auch durchaus sein, dass sie bereits das Handtuch geworfen hatte und den schönen Nachmittag anders verbringen wollte.
Natürlich hätte Flora dies alles dem Ritter erklären können, aber das war ihr zu aufwändig, also beantwortete sie nur seine Frage.
„Meine Mutter hat im letzten Monat Sir Ranulf Ravenwood geheiratet. Das ist der jüngste Onkel Eures Schwagers“, fügte sie noch als Erklärung hinzu. Nur für den Fall, dass er die Verwandtschaftsverhältnisse nicht genau kannte.
„Ah!“, nickte Thad. Er konnte sich dunkel daran erinnern, einem Sir Ranulf bei Gillians Hochzeit vorgestellt worden zu sein. Ein netter Mann, soweit er noch wusste und zum damaligen Zeitpunkt auch noch unvermählt. Was ihm und seinen Brüdern zeigte, wie sie selbst in einigen Jahren auf Außenstehende wirken würden. Ein Mann ohne eine hübsche Frau, hinterließ eben nicht gerade einen
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