Die Gilde der Diebe
herausgefunden haben. Große Sicherheitsvorkehrungen. Überall Kameras. Bewaffnete Leibwächter. Und das nur außen. Drinnen läuft dieser Psychopath herum, und ich bezweifle, dass er es uns nicht krummnehmen wird, wenn wir versuchen, mit seinem hochgeschätzten Juwel rauszumarschieren. Das ist ein Himmelfahrtskommando.«
Obwohl der Himmel strahlend blau war und die Sonne schien, lief es Jonathan kalt den Rücken runter.
»Aber wir finden doch eine Lösung, oder?«, fragte er hoffnungsvoll.
Carnegie sah ihm lange in die Augen.
»Junge, ich weiß, wir haben schon einigen Ärger zusammen durchgestanden. Aber du musst einsehen, es gibt keine Chance, dass du und ich in dieses Haus gelangen und lebend wieder rauskommen.«
»Aber dann wird Vendetta Miss Elwood umbringen! Koste es, was es wolle, wir müssen an diesen Stein kommen!«
»Ich weiß«, erwiderte der Wermensch langsam. »Ich glaube nur nicht, dass wir das alleine schaffen. Wir brauchen Hilfe. Professionelle Hilfe.«
»Was, meinst du etwa Diebe?«
Carnegie kniff die Augen zusammen.
»Nein, Junge, Bäcker. Dann backen wir uns einen Stein. Natürlich meine ich Diebe.«
»Aber … wo? Wo finden wir welche?«
Der Wermensch lächelte schief.
»Wenn du Juwelendiebe brauchst, dann gibt es nur einen Ort, wo du suchen musst, und der ist nicht hier in der Nähe.«
Später, im Schutze der Nacht, schlichen drei Gestalten über die gepflasterten Straßen im Londoner Stadtteil Tower Hamlets zum Flussufer. Trotz der Dunkelheit war die Luft immer noch warm. Eingehüllt in einenschweren Mantel, fragte sich Jonathan zum x-ten Mal, warum um Himmels willen Carnegie darauf bestanden hatte, dass sie alle diese Verkleidung trugen.
Sie waren nur kurz zum Haus zurückgekehrt, um Raquella abzuholen. Alain Starling grüßte sie geistesabwesend zum Abschied. Auf der Suche nach Informationen über Cornelius Xavier hatte er sich wieder in seinem Arbeitszimmer vergraben und durchforschte bei Kerzenlicht verstaubte Bücher. Sein Anblick erinnerte Jonathan an die schlechten Tage, in denen er noch nichts über Darkside wusste. Er hatte ein ungutes Gefühl, als er das Haus verließ.
Ihrem entschlossenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sich Raquella wieder von dem Schrecken erholt, dass Vendetta sie im Zoo verstoßen hatte. Sie marschierte forsch an Jonathans Seite, und beide mühten sich, mit Carnegie Schritt zu halten. Das Dienstmädchen hatte während des gesamten Weges kein Wort verloren, und Jonathan beschlich das unbestimmte Gefühl, dass sie ihn für ihre Lage verantwortlich machte. Verzweifelt suchte er nach einem Gesprächsthema, um das Schweigen zu brechen.
»Ich kann nicht glauben, dass es in dieser Gegend noch einen Übergang geben soll«, sagte er schließlich. »Wie viele gibt es denn davon?«
»Zu viele«, erwiderte Raquella kühl und stapfte unbeirrt weiter.
»Ich dachte nur, es ist ja nicht gerade angenehm, einen Übergang zu durchqueren, besonders wenn man reinblütiger Darksider ist. Deswegen finde iches komisch, dass es so viele Gelegenheiten dazu gibt.«
»Die meisten Darksider wissen darüber nichts und wollen auch nichts darüber wissen. Es sind normalerweise nur die Verzweifelten, die herausfinden, wo sich ein Übergang befindet, und die Mächtigen, die mehr als einen kennen.«
»Und du natürlich«, ergänzte er schmeichlerisch. »Du musst, was das betrifft, inzwischen ja eine Expertin sein.«
Raquella bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Nun ja, wenn man mir die Wahl gelassen hätte, dann würde ich ebenfalls nicht wissen, wo sie sich befinden. Ich könnte gut auf die Schmerzen verzichten, die solch eine Reise verursacht. Aber manche Menschen haben eben keine Wahl, nicht wahr, Jonathan?«
»Ähm, also, Raq…«
Bevor er den Satz beenden konnte, bedeutete Carnegie ihnen, still zu sein. Der Wermensch hatte vor einer Kneipe namens »Blutrot« angehalten. Es war schon Sperrstunde und die letzten Gäste waren längst in die Nacht hinausgewankt. Nun waren die Fenster dunkel und die Vorhänge zugezogen. Carnegie sah sich ein paar Mal verschwörerisch um, dann pirschte er sich eine schmale Gasse hinunter, die an der Kneipe entlangführte. Vor einer Tür an der Seite des Gebäudes blieb er stehen und klopfte dreimal leise an.
Von drinnen hörte man Schritte, und ein kleiner Junge mit einem zerlumpten Hemd und kurzen Hosenöffnete die Tür. In der einen Hand hielt er eine Laterne und mit der anderen rieb er sich die Augen.
»Ja, bitte?«,
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