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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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fragte er mit schlaftrunkener Stimme. »Was wollen Sie?«
    »Guten Abend, Philip«, erwiderte Carnegie unheilvoll.
    Der Bengel hielt seine Laterne hoch. Seine Augen weiteten sich, als er das grimmige Gesicht des Wermenschen erblickte.
    »Um Rippers willen! Mister Carnegie! Was für eine Überraschung, Sir! Ist ziemlich lang her, dass ich Sie das letzte Mal gesehen habe.«
    »Nicht mal annähernd lange genug. Ich gehe davon aus, dass du und dein Bruder euch jetzt aus allem Ärger raushaltet?«
    »Darauf können Sie sich verlassen, Sir. Ehrenwort.«
    Der Wermensch hob eine Augenbraue an.
    »Was auch immer das wert sein mag«, entgegnete er argwöhnisch. »Pass auf, wir müssen zurück nach Darkside. Ist eines der Boote frei?«
    »Für Sie haben wir immer ein Boot, Mister Carnegie. Kommen Sie doch rein.«
    Der Junge stieß die Tür auf und der Wermensch stapfte hinein. Raquella bedachte Jonathan abermals mit einem kühlen Blick.
    »Nach dir«, sagte er.
    Sie rauschte gebieterisch an ihm vorbei, wobei sie ihren Rocksaum anhob wie eine Königin. Jonathan folgte ihr in die Dunkelheit. Eine Vorahnung jagte ihm einen Schauer den Rücken hinunter. Sie gingen nach Hause.

7
    Der kleine Darksider Junge führte die Gruppe durch einen engen Gang an der Rückseite des »Blutrot«. Seine Laterne hüpfte wie ein Irrlicht auf und ab. Kurz darauf erreichten sie eine steinerne Wendeltreppe, vor der Philip stehen blieb. Er hielt seine Laterne hoch und blickte bedeutungsvoll in die Runde.
    »Alles Mögliche kann hier unten passieren. Also trödelt nicht herum, verstanden?«
    Jonathans Puls beschleunigte sich. Das war es, worauf er gewartet hatte und was er die letzten Monate so sehnlich vermisst hatte. Sein Darkside-Blut, das Blut seiner Mutter, erwachte angesichts der drohenden Gefahr aus seinem Schlummer, pulsierte durch seine Venen und trieb ihn vorwärts. Die Schattenwelt war zum Greifen nahe.
    Sie stiegen die Treppe hinunter und kamen immer wieder an Türen in der Außenwand vorbei. Die Stufen waren heimtückisch hoch und Jonathans Knie schmerzten. Am Kopf der Truppe sprang Philip wie eine Gazelle von einer Stufe zur anderen und ließ dabei manchmal die anderen so weit hinter sich, dass der Schein seiner Laterne vollständig zu verschwindendrohte. In der Dunkelheit hörte Jonathan eine Vielzahl von Geräuschen durch die Türen dringen. Der Refrain eines derben Seemannsliedes; eine Frau, die vor Lachen halb gackerte, halb schrie; hinter einer besonders sorgfältig verriegelten Tür ein schnüffelndes und scharrendes Geräusch, das ihn dazu brachte, sich an der gegenüberliegenden Seite des Treppenhauses entlangzudrücken.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit endeten die Stufen in einem niedrigen Gewölbe. Einige Meter vor ihnen senkte sich der Boden ab und mündete in einer riesigen schwarzen Wasserfläche, die sich viele Gewölbebögen weit erstreckte. Jonathan spähte auf die Wasserfläche hinaus und entdeckte, dass die vorderen Bögen mit großen roten Zahlen nummeriert waren. Am Ufer lagen zwei längliche, schmale Boote vertäut, die in der Strömung an ihren Haltetrossen wie zwei Hunde an ihren Ketten zerrten. So tief unter der Erde war die Luft klirrend kalt.
    Jonathan stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Das ist mal ein Keller«, sagte er. »Wissen die Leute, denen die Kneipe gehört, davon?«
    Philip warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
    »Sollte man meinen. Schließlich haben sie ihn gebaut. Sie sind seit über fünfzig Jahren im Fährgeschäft. Jeder Darksider, der sich in diesen Teil der Stadt verirrt, landet früher oder später im ›Blutrot‹.« Er wandte sich wieder an den Wermenschen. »In welchen Teil von Darkside soll’s denn gehen, Mister Carnegie?«
    »Diamantengarten.«
    »Ehrlich, Sir?« In Philips Stimme schwang ein Hauch von Überraschung mit. »Ist schon ein paar Jahre her, seit Sie das letzte Mal dort waren, nicht wahr? Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist?«
    »Nein«, erwiderte Carnegie und kratzte sich energisch den Nacken. »Aber ich habe keine andere Wahl.«
    »Wie Sie meinen. Dann müssen Sie durch Bogen Nummer sieben, Sir.«
    Der Wermensch bedachte ihn mit einem bohrenden Blick.
    »Selbstverständlich. Es ist nicht so lange her.«
    Philip ging zum Ende des Stegs und sprang leichtfüßig in eines der Boote, wobei seine Beine das Schwanken ausglichen. Er warf kurz einen prüfenden Blick unter die Sitzbank und sprang zurück auf den Steg.
    »Dieses hier sollte seinen Zweck erfüllen. Es ist locker

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